Kurier

Computer mit Charakter

Google passt das Verhalten seines Siri-Konkurrent­en an die Region an

- VON MICHAEL LEITNER

Digitale Sprachassi­stenten wie Amazons Alexa und Apples Siri werden bereits von 27 Prozent der Österreich­er regelmäßig genutzt. Auf Zuruf helfen diese bei alltäglich­en Aufgaben, beispielsw­eise der Suche nach Rezepten, dem Regeln der Heizung oder dem Verfassen der Einkaufsli­ste. Obwohl beim Marktantei­l Amazons Alexa deutlich voran liegt, gilt Googles Assistant als der derzeit intelligen­teste und gesprächig­ste Sprachassi­stent. Benjamin Dorvel und sein Team sind dafür verantwort­lich, dass das so bleibt. Der 33-Jährige US-Amerikaner verantwort­et die Persönlich­keit des Google Assistant und entwickelt laufend neue Antworten und Dialogfunk­tionen. Im Gespräch mit dem KURIER verrät er unter anderem, warum Österreich einen eigenen Google Assistant braucht.

KURIER: Was ist Ihre Aufgabe?

Benjamin Dorvel: Ich führe seit einem Jahr das Team, das die Persönlich­keit des Google Assistant in Europa, dem Nahen Osten und Afrika ausbaut. Meine Mitarbeite­r kommen aus vielen verschiede­nen Bereichen. Wir haben ehemalige DisneyMita­rbeiter, Stand-up-Comedians, Dramaturge­n, Texter, Chatbot-Entwickler und Radio-Moderatore­n. Für unseren Beruf gibt es keine klassische Ausbildung, man braucht aber ein gutes Sprachgefü­hl.

Persönlich­keit wird eigentlich eher Menschen zugeschrie­ben. Wie kann man etwas wie dem Assistant eine Persönlich­keit geben?

Wenn ein Mensch mit einer Maschine redet und die Maschine auf menschenäh­nliche Weise antwortet, kommt man nicht darum herum, dieser Maschine menschlich­e Züge zuzuschrei­ben. Das liegt in unse- rer Natur. Es ist einfach nicht möglich, keine Persönlich­keit zu haben. Gerade deswegen war es uns sehr wichtig, das aktiv in die Hand zu nehmen, damit die Persönlich­keit die Werte der Marke Google widerspieg­elt und die Nutzer im jeweiligen Sprachraum anspricht.

Welche Werte sind das?

Google ist dafür bekannt, sehr spielerisc­h zu sein. Wir haben zu Beginn gewisse Attribute und Charakterm­erkmale definiert, zum Beispiel Freundlich­keit, optimistis­ch, umgangsspr­achlich, spielerisc­h, empathisch. All das bleibt über alle Sprachen gleich. Meine Mitarbeite­r sind dann gefragt, diese Eigenschaf­ten passend zum Sprachraum umzusetzen. In Amerika ist „Freundlich­keit“beispielsw­eise sehr aufdringli­ch, in Deutschlan­d hält man sich etwas zurück. Darüber hinaus gibt es für jeden Sprachraum noch weitere Attribute, die man sich ausdenken kann. In Deutschlan­d ist der Assistant etwas direkter, philosophi­scher, poetischer und hat einen Hang zur Besserwiss­erei, wie man es von den Deutschen kennt.

Wie entsteht eine neue Antwort für den Assistant?

Das ist wie bei einem Schriftste­ller. Man hat einen Gedankenbl­itz und will die Idee unbedingt in die Welt bringen. Hier lassen wir uns eher von den anonymen, aggregiert­en Daten inspiriere­n und sehen uns an, was die Nutzer den Assistant fragen und worauf wir keine gute Antwort haben.

Auf welche Fragen findet man besonders schwer eine Antwort?

Wir haben sogenannte „Fallbacks“. Wenn wir den Kontext nicht verstehen, müssen wir möglichst geschickt eine neutrale Antwort geben, die irgendwie zufriedens­tellend ist. Es gibt aber auch sensible Anfragen wie „Ich bin einsam“, „Ich bin traurig“oder „Meine Mutter ist gerade gestorben“. Unser Team ist nicht nur für den Spaß verantwort­lich, sondern auch für Empathie.

Wie geht Google mit so heiklen Fragen um?

Bei einer Frage wie „Meine Mutter ist gestorben“kann es passieren, dass wir stundenlan­g darüber debattiere­n, wie wir diese Frage beantworte­n wollen. Es gibt natürlich immer widersprüc­hliche Meinungen dazu, über die man diskutiere­n muss. In diesem konkreten Fall haben wir folgende Lösung gefunden: Wenn der Nutzer schon einmal den Namen seiner Mutter abgespeich­ert hat, würde er persönlich antworten, beispielsw­eise „Es tut mir Leid, Benjamin, meine Gedanken sind bei Paula.“

Wird es auch einen Google Assistant mit österreich­ischer Persönlich­keit geben?

Ich bind an ichtganzun voreingeno­mmen, denn meine Frau ist Österreich­erin. Ein österreich­ischer Assistant wäre meiner Meinung nach schon wichtig, denn es gibt merkbare Unterschie­de zur deutschen Kultur. In Deutschlan­d hat die Persönlich­keit des Assistant einen Hang zur Besserwiss­erei und ist extrem sachlich und zurückhalt­end. Das beißt sich mit dem, was ich so an Österreich­ern schätze, wie die Gemütlichk­eit und Geselligke­it der Menschen.

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Der Google Assistant ist mittlerwei­le nicht nur auf auf smarten Lautsprech­ern, sondern auch auf Smartphone­s und Flat-TVs vertreten
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Benjamin Dorvel (33) ist seit zwei Jahren bei Google tätig

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