Computer mit Charakter
Google passt das Verhalten seines Siri-Konkurrenten an die Region an
Digitale Sprachassistenten wie Amazons Alexa und Apples Siri werden bereits von 27 Prozent der Österreicher regelmäßig genutzt. Auf Zuruf helfen diese bei alltäglichen Aufgaben, beispielsweise der Suche nach Rezepten, dem Regeln der Heizung oder dem Verfassen der Einkaufsliste. Obwohl beim Marktanteil Amazons Alexa deutlich voran liegt, gilt Googles Assistant als der derzeit intelligenteste und gesprächigste Sprachassistent. Benjamin Dorvel und sein Team sind dafür verantwortlich, dass das so bleibt. Der 33-Jährige US-Amerikaner verantwortet die Persönlichkeit des Google Assistant und entwickelt laufend neue Antworten und Dialogfunktionen. Im Gespräch mit dem KURIER verrät er unter anderem, warum Österreich einen eigenen Google Assistant braucht.
KURIER: Was ist Ihre Aufgabe?
Benjamin Dorvel: Ich führe seit einem Jahr das Team, das die Persönlichkeit des Google Assistant in Europa, dem Nahen Osten und Afrika ausbaut. Meine Mitarbeiter kommen aus vielen verschiedenen Bereichen. Wir haben ehemalige DisneyMitarbeiter, Stand-up-Comedians, Dramaturgen, Texter, Chatbot-Entwickler und Radio-Moderatoren. Für unseren Beruf gibt es keine klassische Ausbildung, man braucht aber ein gutes Sprachgefühl.
Persönlichkeit wird eigentlich eher Menschen zugeschrieben. Wie kann man etwas wie dem Assistant eine Persönlichkeit geben?
Wenn ein Mensch mit einer Maschine redet und die Maschine auf menschenähnliche Weise antwortet, kommt man nicht darum herum, dieser Maschine menschliche Züge zuzuschreiben. Das liegt in unse- rer Natur. Es ist einfach nicht möglich, keine Persönlichkeit zu haben. Gerade deswegen war es uns sehr wichtig, das aktiv in die Hand zu nehmen, damit die Persönlichkeit die Werte der Marke Google widerspiegelt und die Nutzer im jeweiligen Sprachraum anspricht.
Welche Werte sind das?
Google ist dafür bekannt, sehr spielerisch zu sein. Wir haben zu Beginn gewisse Attribute und Charaktermerkmale definiert, zum Beispiel Freundlichkeit, optimistisch, umgangssprachlich, spielerisch, empathisch. All das bleibt über alle Sprachen gleich. Meine Mitarbeiter sind dann gefragt, diese Eigenschaften passend zum Sprachraum umzusetzen. In Amerika ist „Freundlichkeit“beispielsweise sehr aufdringlich, in Deutschland hält man sich etwas zurück. Darüber hinaus gibt es für jeden Sprachraum noch weitere Attribute, die man sich ausdenken kann. In Deutschland ist der Assistant etwas direkter, philosophischer, poetischer und hat einen Hang zur Besserwisserei, wie man es von den Deutschen kennt.
Wie entsteht eine neue Antwort für den Assistant?
Das ist wie bei einem Schriftsteller. Man hat einen Gedankenblitz und will die Idee unbedingt in die Welt bringen. Hier lassen wir uns eher von den anonymen, aggregierten Daten inspirieren und sehen uns an, was die Nutzer den Assistant fragen und worauf wir keine gute Antwort haben.
Auf welche Fragen findet man besonders schwer eine Antwort?
Wir haben sogenannte „Fallbacks“. Wenn wir den Kontext nicht verstehen, müssen wir möglichst geschickt eine neutrale Antwort geben, die irgendwie zufriedenstellend ist. Es gibt aber auch sensible Anfragen wie „Ich bin einsam“, „Ich bin traurig“oder „Meine Mutter ist gerade gestorben“. Unser Team ist nicht nur für den Spaß verantwortlich, sondern auch für Empathie.
Wie geht Google mit so heiklen Fragen um?
Bei einer Frage wie „Meine Mutter ist gestorben“kann es passieren, dass wir stundenlang darüber debattieren, wie wir diese Frage beantworten wollen. Es gibt natürlich immer widersprüchliche Meinungen dazu, über die man diskutieren muss. In diesem konkreten Fall haben wir folgende Lösung gefunden: Wenn der Nutzer schon einmal den Namen seiner Mutter abgespeichert hat, würde er persönlich antworten, beispielsweise „Es tut mir Leid, Benjamin, meine Gedanken sind bei Paula.“
Wird es auch einen Google Assistant mit österreichischer Persönlichkeit geben?
Ich bind an ichtganzun voreingenommen, denn meine Frau ist Österreicherin. Ein österreichischer Assistant wäre meiner Meinung nach schon wichtig, denn es gibt merkbare Unterschiede zur deutschen Kultur. In Deutschland hat die Persönlichkeit des Assistant einen Hang zur Besserwisserei und ist extrem sachlich und zurückhaltend. Das beißt sich mit dem, was ich so an Österreichern schätze, wie die Gemütlichkeit und Geselligkeit der Menschen.