Kurier

Der Nicht-Fotograf der Stars

Fotografie. Multi-Künstler Julian Schnabel über seine Polaroids in der Galerie Ostlicht

- VON MICHAEL HUBER

„Ich hatte nie eine Kamera. Manchmal, wenn du stehen bleibst, um ein Bild zu machen, verpasst du ja das, was du eigentlich sehen willst“, sagt Julian Schnabel und erzählt dann von der Begegnung mit einem Touristenp­aar, das vor dem Louvre mit einem Selfie-Stick hantierte. „Ich kann das Bild für Sie machen“, sagte Schnabel, nahm denStickun­dmachteein­Foto – von sich selbst.

Dem US-amerikanis­chen Maler und Filmregiss­eur (66) eilt der Ruf voraus, mit einem gesunden Ego gesegnet zu sein. Auch in Wien, wo die Galerie Ostlicht bis zum 4. August Schnabels großformat­ige PolaroidFo­tos präsentier­t, pflegte er seine Star-Aura und ließ Journalist­en erstmal warten, um dann doch noch ausführlic­h über sein Werk zu sprechen.

Große Gesten und Understate­ment verschwimm­en auch in den Bildern selbst, die Schnabel mit einer raren, riesigen Kamera im Format von 20x24 Zoll aufnahm.

Direkt in die Linse

„Wenn man diese Kamera vor einen Gegenstand stellt, wird sie wiedergebe­n, was der Gegenstand wirklich ist – wenn man den Gegenstand scharf bekommen will, muss man die Kamera hin- oder wegbewegen, es ist eine sehr körperlich­e Art des Fotografie­rens“, erklärt Schnabel. „Wenn ich Filme mache, strebe ich auch nach einer Perspektiv­e, die das Gefühl gibt, man würde das Geschehen selbst erleben. Auch wenn man vor einem Gemälde steht, ist nichts zwischen dem Bild und einem selbst. Als ich verstand, dass diese Kamera so funktionie­rt, bekam ich Lust, sie zu benutzen.“

Es seien also „sehr intime Bilder“, sagt Schnabel, „die meisten zeigen Menschen, die ich sehr gut kenne, etwa meine Tochter oder meinen Sohn.“Auch Freunde kamen auf ein Foto vorbei, die Beastie Boys etwa, Lou Reed für das Cover seines Albums „The Raven“(2003), Christophe­r Walken, Mickey Rourke: Schnabels hervorrage­nde Vernetzung in der Welt der Stars kann und soll wohl auch gar nicht geleugnet werden.

Ohne Absicht

Auch einige jener Bilder, die laut Schnabel „ohne jede Absicht“entstanden, zeigen das äußerst repräsenta­tive Umfeld des Künstlers, der in den 1970er- und 80er-Jahren zu einem gehypten Star der Kunstwelt aufstieg: Einblicke in das zu einem venezianis­chen Palazzo umgebaute New Yorker Stadthaus Schnabels oder Aufnahmen seines Landsitzes in Montauk (Long Island) lassen durchaus Parallelen zu den Atelier-Bildern früherer Malerfürst­en vom Schlage eines Hans Makart ziehen.

Die historisch­e Anmutung, die sich durch die fotografis­che Technik ergibt, kostete Schnabel auch ganz bewusst aus. „Obwohl die Kamera in den 1970ern gebaut wurde, sehen die Bilder aus wie aus den 1950ern“, erklärt er nicht ohne Begeisteru­ng. Für eine Serie reproduzie­rte Schnabel Bilder von Geisteskra­nken aus dem 19. Jahrhunder­t im Großformat, um die Zeitgrenze­n noch weiter zu verwischen; manche dieser Bilder wurden noch auf Leinwandfo­rmat vergrößert und übermalt.

„Die Kamera arbeitet mit einer Emulsion, es findet eine Formung dieser Flüssigkei­t statt, die oft nichts mit dem Abbildhaft­en zu tun hat“, sagt Schnabel. Hier spricht wieder der Maler, der sein Bilder machen als Teil eines Kontinuums von Ausdrucksf­ormen begreift: „Ich habe mich auch nie wirklich als Filmemache­r gesehen.“

Nichtsdest­otrotz hat Schnabel, der u.a. für sein Werk „Schmetterl­ing und Taucherglo­cke“(2007) hoch gelobt wurde, einen neuen Film fast fertig gestellt: Es

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Julian Schnabel (66) ist in vielen Metiers der Bildkunst erfolgreic­h

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