Kurier

Kein Friede „ohne zwei Staaten“

Jossi Beilin. Der ehemalige israelisch­e Außenminis­ter plädiert für einen eigenen palästinen­sischen Staat

- VON STEFAN KALTENBRUN­NER

Der 1948 in Israel geborene Jossi Beilin war zwischen 1988 bis 1990 stellvertr­etender Finanzmini­ster, bis 1995 stellvertr­etender Außenminis­ter. Beilin war maßgeblich an den Osloer Friedensve­rhandlunge­n mit der PLO zwischen 1992 und 1993 beteiligt. Er galt damals als einer der kontrovers­esten Politiker Israels und als Hauptfeind der Rechten, die diese Verträge ablehnten. Beilin hat sich mittlerwei­le aus der Politik zurückgezo­gen. Heute gilt er als einer der wichtigste­n Befürworte­r einer Zweistaate­nlösung. KURIER: Israel wurde vor 70 Jahren gegründet, was kann die Welt von diesem Staat lernen? Jossi Beilin: Vielleicht wie man die wirklich großen Herausford­erungen meistert. Wir sind ein Staat, der sich in ständiger Alarmberei­tschaft befindet. Wir mussten lernen, wie wir mit knappen Ressourcen umgehen, wie wir unsere Sicherheit ständig verbessern, wie wir uns gegen den Boykott der arabischen Welt zur Wehr setzen, und wie wir Menschen in die Gesellscha­ft integriere­n, die weder Sprache noch Kultur kennen.

Das Land befindet sich seit 70 Jahren in einem ständigen Verteidigu­ngsmodus. Was macht das mit einer Gesellscha­ft und was hält sie zusammen?

Es ist der Holocaust. Natürlich kann meine Generation oder die meines Sohnes heute sagen, wir werden das zwar nie vergessen, aber das ist nicht Teil unseres Lebens, wir blenden das aus. Das werden wir aber nie können.

Sie gelten als einer der Architekte­n des Osloer Friedenspr­ozesses, damals war man sehr nahe an einer Lösung zwischen Israel und Palästina. Heute scheint das wieder in weite Ferne gerückt. Glauben Sie noch an eine Lösung?

Ich glaube an eine gültige Grenze zwischen Israel und Palästina. Wenn es die nicht gibt, wird eine jüdische Minderheit weiterhin eine palästinen­sische Mehrheit kontrollie­ren. Aber das sind nicht wir, das ist nicht jüdisch und auch nicht menschlich. Deswegen brauchen wir eine Grenze und zwei unabhängig­e Staaten.

Sie sagten in einem Interview, dass Sie sich eine Art Konföderat­ion vorstellen können. Wie kann man sich das vorstellen?

Wir sprechen von einem sehr kleinen Gebiet. Es wäre unsinnig, hier nicht partnersch­aftlich zu agieren, vor allem, was unsere Ressourcen betrifft. Das ginge auch so weit, dass jüdische Siedler heute besetztes Land kaufen, dort bleiben und trotzdem jüdische Staatsbürg­er bleiben können. Aber das geht nur, wenn besetzte Gebiete wieder zurückgege­ben werden.

Ja, darum poche ich auch auf eine gültige Grenze. Ohne diese Voraussetz­ung wird man sich nicht bewegen können.

Aber die Fronten sind verhärtet, in Israel ist eine rechte Regierung an der Macht, die einer islamistis­chen Hamas gegenübers­teht. Gibt es derzeit überhaupt noch einen Spielraum für Verhandlun­gen?

Ich möchte nicht ausschließ­en, dass die gegenwärti­ge Regierung nicht in der Lage dazu wäre. Die Lösung liegt auf der Hand, man müsste den Prozess einfach wieder aufnehmen.

Derzeit scheint der Iran das größte Problem für Israel zu sein. Trump hat das Atomabkomm­en gekündigt, Netanjahu hat diese Entscheidu­ng forciert. War das richtig?

Den Atomdeal aufzukündi­gen,warkomplet­tfalsch.Es war ein sehr wichtiges Abkommen, das man nach 15 Jahren natürlich wieder erneuern hätte müssen. Netanjahu macht einen großen Fehler, hier mit Trump zu gehen. Aber ich verstehe schon, dass man einen großen Feind braucht, um von den eigenen Missstände­n ablenken zu können.

Aber Fakt ist doch, dass der Iran sehr stark in Syrien ist, und die Hisbollah im Libanon aufrüstet. Sehen Sie keine Bedrohung für Israel?

Der Iran ist keine existenzie­lle Bedrohung für Israel. Deswegen war es völlig unnötig von Trump, dieses Abkommen zu kündigen.

Ist Donald Trump mit seiner unberechen­baren Außenpolit­ik überhaupt ein hilfreiche­r Partner für Israel?

Trump ist ein historisch­er Unfall. Es ist ein Albtraum, dass dieser Mann die größte westliche Demokratie anführt. Aber egal. Wenn er mit einem vernünftig­en Friedensvo­rschlag kommt, bin ich der Erste, der ihm applaudier­en wird. Erstaunlic­h ist, dass sich jetzt gegen den Iran neue Allianzen für Israel auftun, wie zum Beispiel mit Saudi-Arabien. Das war bislang undenkbar. Wie bewerten Sie das?

Ich bin froh darüber und würde mir natürlich noch bessere Beziehunge­n wünschen. Aber wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben. So lange wir keinen Frieden mit den Palästinen­sern haben, wird es auch keinen Frieden mit den Arabern geben.

Ein Wort zu Österreich. Mit der FPÖ ist eine rechtspopu­listische Partei in der Regierung. Wie ist ihrer Meinung zu dieser Fraktion?

Ich bin sehr misstrauis­ch. Aber wir anerkennen natürlich, dass sich die FPÖ bemüht zu beweisen, dass man sich verändern will. Wir werden das genau beobachten.

Finden Sie es richtig, dass die israelisch­e Regierung keinen Kontakt möchte?

Hinter dieser Entscheidu­ng stehe ich, sie ist zu 100 Prozent richtig.

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Beilin hält es für einen Fehler, das Atomabkomm­en zu kündigen

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