Nach Bluttat: Asylheim vor Schließung
Niederösterreich. FPÖ-Landesrat lässt Bewohner verlegen. Terry A. hätte Schlimmeres anrichten können.
Seit 26 Jahren gibt es die CaritasAsylunterkunft St. Gabriel in Maria Enzersdorf, Bezirk Mödling. Nach der Bluttat am 3. Mai, bei dem der 25jährigeNigerianerTerryA.einenMitbewohner getötet haben soll, steht die Einrichtung vor der Schließung.
FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl gab am Donnerstag bekannt, die mehr als 100 Bewohner in andere Quartiere zu verlegen, die eine 24Stunden-Betreuung garantieren würden. Darunter auch knapp 50 Bewohner, die psychisch und körperlich beeinträchtigt sind und einen erhöhten Betreuungsbedarf haben. Welche Quartiere das sind, wurde nicht verraten. „Die Sicherheit der Bevölkerung hat für mich als zuständiges Regierungsmitglied absolute Priorität“, erklärt Waldhäusl. 2016 habe es in St. Gabriel und Umfeld 42 Polizeieinsätze gegeben.
Bei der Caritas ist man ob der Entscheidung und des Umgangstons entsetzt. Denn eigentlich hatte man nach der Tat ein neues Betreuungskonzept mit dem Land besprochen, das eine bessere Versorgung psychisch Kranker wie Terry A. sicherstellen sollte. Das Gespräch sei konstruktiv gewesen, sagt Generalsekretär Klaus Schwertner. Dann aber habe man trotz Urgenz auf eine Antwort gewartet. Von der Schließung habe man nun erst aus den Medien erfahren.
Bereits vor zwei Jahren – speziell nach dem Mord an einer Frau durch einen psychisch Kranken aus Kenia am Wiener Brunnenmarkt – hatten die Caritas sowie die Volksanwaltschaft darauf aufmerksam gemacht, dass die finanziellen Mittel für die Betreuung besonders schwer Kranker – für psychisch und körperlich Beeinträchtigte wird ein erhöhter Tagsatz von 44 Euro pro Tag und Person vom Land ausbezahlt – nicht ausreichen. Ein im Jänner beim Land eingereichtes Konzept war aus Sicht des Landes zu teuer. Erst zwei Wochen vor der Bluttat habe die Caritas in einem Schreiben an den zuständigen Landesrat vor einem Sicherheitsrisiko gewarnt, sagt Schwertner. Passiert sei nichts.
Stattdessen, so fürchtet Schwertner, werde sich die Situation für die Betroffenen weiter verschlechtern. Denn keine Einrichtung könne um 44 Euro eine adäquate Versorgung sicherstellen. In St. Gabriel sei die Arbeit nur dank Spenden und Hilfe von Freiwilligen möglich gewesen. Dafür gebe es auch eine doppelt besetzte 24-Stunden-Betreuung, weist Schwertner, den implizierten Vorwurf von Waldhäusl, keine gute Betreuung garantieren zu können, zurück.
Tragödie entronnen
Dass im Fall Terry A. zu einer noch weit größeren Tragödie hätte kommen können, bringen die bisherigen Ermittlungen ans Tageslicht. Am Tag nach der Bluttat an Razib D. in St. Gabriel ist Terry A. in Maria Enzersdorf auf spielende Kinder getroffen. Der 25-jährige Nigerianer soll auf dem Spielplatz mit einem 30 Zentimeter langen Stahlmeißel versucht haben, die Kinder damit niederzuschlagen. Im Polizeibericht heißt es, dass ein kleines Mädchen nur durch einen Sprung zur Seite nicht von dem Meißel getroffen wurde. Es brauchte die Kraft von acht Polizeibeamten, um den Tobenden am Boden zu fixieren.
Der Stahlmeißel dürfte die Tatwaffe sein, mit dem tags zuvor der 26-jährige Razib D. aus Bangladesch in St. Gabriel nach erbittertem Kampf getötet wurde. Der ebenfalls psychisch stark beeinträchtigten Mann lag blutüberströmt in der Aula am Rücken. Er hatte einen blutigen Schal um den Hals gewickelt, aufseinemKörperlageinBesen.Das Opfer wies massive Einstiche und klaffende Wunden im Halsbereich auf. Wie einer der Betreuer aussagte, war Razib D. nie aggressiv. Kurz vorderBluttathabemanjedocheine besorgniserregende Veränderung festgestellt. Der 26-Jährige habe sich völlig zurückgezogen und geweigert, sich zu waschen.
Nachdem wegen des geistigen ZustandesvonTerryA.fastkeineBefragungen möglich waren, will sein Verteidiger Wolfgang Blaschitz die Ergebnisse des Obduktions- und DNA-Gutachtens abwarten. Findet sich Blut oder DNA von Razib D. auf dem Meißel, würde dies den Tatverdächtigen massiv belasten. „Ein psychiatrisches Gutachten wird außerdem klären, in welchem Zustand er sich befindet“, sagt Blaschitz.