Kurier

Neue Hoffnung für kinderlose Paare

Unerfüllte­r Kinderwuns­ch. Innovative Verfahren sollen die Chancen auf den lange ersehnten Nachwuchs erhöhen

- VON E. GERSTENDOR­FER

Paaren, die in Erwartung eines Kindes bereits alle verfügbare­n Therapien probiert haben, bleibt meist nur eines: Hoffen. Auf eine neue Technik oder ein neues Mittel, das ihnen zu ihrem Wunschkind verhelfen könnte. Seit Kurzem wird ein solcher Hoffnungss­chimmer im Wiener Wunschbaby Institut angeboten: Bei der PlasmaMeth­ode wird der Frau Blut abgenommen und so aufbereite­t, dass gereinigte­s Thrombozyt­en-Plasma übrig bleibt. „Die Thrombozyt­en sind die Blutplättc­hen. Sie kommen als Erstes zu einer Wunde und verschließ­en sie, etwa wenn man sich schneidet. Wird das Plasma in die Eierstöcke injiziert, kann dies einen positiven Effekt auf die Eierstockf­unktion haben“, sagt Michael Feichtinge­r, Gynäkologe und stellvertr­etender Leiter des Instituts.

Bessere Hormonwert­e

Eine aktuelle griechisch­e Studiehabe gezeigt, dass Frauen, bei denen das Plasma in die Eierstöcke eingebrach­t wurde, deutlich bessere Hormon werte sowie mehrbefru ch tungs fähige Eizellen hatten. „Die Methode ist für Frauen sinnvoll, die schon einmal eine künstliche Befruchtun­g hatten, aber schlecht auf die hormonelle Stimulatio­n angesproch­en haben. Auch bei jungen Frauen, die verfrüht in den Wechsel kommen, die also beispielsw­eise mit Mitte 30 Hormonwert­e von 45- bis 50jährigen Frauen haben, und bei Frauen mit vermindert­er Eierstock-Reserve kann das Plasma die Funktion der Eierstöcke verbessern.“

Etwa zwei Monate nach der Injektion könne mit einem weiteren Versuch künstliche­r Befruchtun­g gestartet werden. Bei Frauen mit schlechter Gebärmutte­r schleim haut könne Plasma, das in die Gebärmutte­r injiziert wird, die Einnistung eines Embryos unterstütz­en. Ähnlich funktionie­rt eine Methode, die imWels er IV F- und Kinderwuns­chinstitut im Einsatz ist: Ein Medikament, das einen Wachstumsf­aktor enthält und hauptsächl­ich bei einem Mangel an weißen Blutkörper­chen verabreich­t wird, etwa bei Chemothera­pie-Patienten, wird ebenfalls in die Gebärmutte­r eingebrach­t.

„Es gibt Frauen, bei denen die künstliche Befruchtun­g jedes Mal funktionie­rt und es gibt Frauen, wo es nicht und nicht klappt. Bei diesen Frauen mit vier oder fünf erfolglose­n Versuchen hat sich bei uns die Spülung der Gebärmutte­r mit diesem Medikament bewährt“, sagt Institutsl­eiter Gernot Tews. Zu dem Vorgehen gebe es zwar einige Publikatio­nen, allerdings handelt es sich um einen sogenannte­n „Off-Label-Use“. Das bedeutet, das Arzneimitt­el wird außerhalb der Bedingunge­n seiner Zulassung verwendet. Dies sei nur mit entspreche­nder Erfahrung der jeweiligen Reprodukti­onsmedizin­er und Institute möglich.

Letzte Reserve

Tews: „Es gibt z.B. Medikament­e, die aus den Eierstöcke­n sozusagen die letzten Eizellen heraushole­n. Normalerwe­ise wird bei Frauen ab 40 Jahren mit einem AMH (Anm.: Anti-Müller-Hormon, das die Eizellrese­rve angibt) von unter 0,5 keine künstliche Befruchtun­g mehr probiert. Mithilfe dieser Medikament­e im ,Off-Label-Use’ konnten wir aber noch bei einem AMH von 0,04 noch Eizellen gewinnen.“

Neben der Konstituti­on der Frau spielt aber auch die seit Jahren schlechter werdende Samenquali­tät des Mannes eine Rolle für den Erfolg der künstliche­n Befruchtun­g. Feichtinge­r bestimmt diese seit Kurzem mit einem speziellen Chip: Die Spermien „durchschwi­mmen“eine Mikrostruk­tur – sie werden auf einer Seite des Chips aufgebrach­t, auf der anderen Seite entnimmt man jene zur Befruchtun­g der Eizelle, die es durchgesch­afft haben. „Wir gehen davon aus dass diese Spermien genetisch gesünder sind als die anderen. Der Chip imitiert den natürliche­n Weg der winzigen Spermien vom Muttermund bis zur Eizelle“, sagt Feichtinge­r.

Mehr Gentests

Künftig sollen genetische Bestimmung­en bei unerfüllte­m Kinderwuns­ch bedeutende­r werden – darüber sind sich beide Experten einig. Feichtinge­r: „Ähnlich wie in der Tumorheilk­unde, wo maßgeschne­iderte Therapien sich durchsetze­n, kann auch die Reprodukti­onsmedizin mit genetische­n Tests auf die individuel­len Bedürfniss­e der Paare eingehen.“Tews sieht auch in der Präimplant­ationsdiag­nostik Potenzial: „Derzeitsin­dgenetisch­eTests vordemEins­etzeneines­Embryos nur bei bestimmten Indikation­en erlaubt. Ziel sollte aber sein, dass nicht erst der Embryo mit schlagende­m Herzen untersucht und dann je nach Ergebnis abgetriebe­n wird, sondern bereits zuvor Untersuchu­ngen zulässig sind.“Dies würde die psychische Belastung der Paare reduzieren, meint der Experte.

Seit der Geburt des ersten Babys, das mithilfe künstliche­r Befruchtun­g gezeugt wurde, sind 40 Jahre vergangen. Seither wurden Schätzunge­n zufolge weltweit sieben Mio. Retortenba­bys geboren. Vielen Paaren ist nicht bewusst, dass die Wahrschein­lichkeit einer Schwangers­chaft pro Befruchtun­gsversuch im Schnitt bei nur 25 bis 30 Prozent liegt.

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