Kurier

Stellt euch vor, er

Der Über-Problembär des US-Hip-Hops hat ein kurzes, tolles, Album veröffentl­icht.

- GEORG LEYRER

Kanye West ist keine leichte Übung. Der Rap-Star fühlt sich der „Drachenene­rgie“von Donald Trump verbunden, bezeichnet­e – zum Missfallen seiner Frau, der für ihre Berühmthei­t berühmten Kim Kardashian – Sklaverei als „persönlich­e Entscheidu­ng“, scheint immer nah am Explodiere­n und sieht so aus, als hätte er seit der Ära Bill Clinton nicht mehr geschlafen.

Was ja irgendwie lustig war, bis es zuletzt auch ernst unterfütte­rt wurde: Er war wegen einer bipolaren Störung in Behandlung , sagte er.

Was wiederum die Rezeption des neuen, kurzen Albums „Ye“– 23 Minuten, sie- ben Songs – auch nicht unkomplizi­erter macht. West tanzt darin auf allen möglichen Vulkanen, von schonungsl­oser Offenheit (mit Mordgedank­en und Überlegung­en in Richtung Selbstzers­törung) bis hin zu extremer Kasperlhei­t.

Das wäre auch egal, wäre West nicht eine der prägenden Figuren des öffentlich­en Lebens der Staaten. Und dieses öffentlich­e Leben hat es eh gerade nicht leicht. West nun rollt von einer anderen Seite das Feld auf ähnliche Weise auf wie Trump: West ist Assoziatio­nsmeister und scheut nicht davor, auf der Ferse kehrt zu machen und nach einem besonders empörenden Statement das Gegenteil zu behaupten.

Man sieht ihm live bei der Selbstersc­haffung zu: Und man darf sich immer wieder fragen, wen oder was man da sieht: einen Gebeutelte­n, Kranken; oder einen absolut Künstliche­n, hoch Berechnend­en. „Ich hasse es, bipolar zu sein ist fantastisc­h“, steht auf dem neuen Album. Es gibt auch sonst keine Antworten. Die Songs sind ein kurzweilig­er wundersame­r GesamtMono­log, der jedem Satz gleich die Entgegnung zuwirft; es streitet ein Superstar mit seinem selbstzwei­felnden, aber gewaltigen Ego.

Sich g’spüren

„Die schönsten Gedanken sind immer nah den dunkelsten“, rappt er zu Beginn. In einer der schrägsten (und tollsten) Hymnen überhaupt, „Ghost Town“, lässt West eine Gastsänger­in in den Lyrics die Hand auf den Ofen legen, um zu sehen, ob es noch blutet (oder er überhaupt etwas fühlt). Tut er nicht, und daher fühlt er sich „irgendwie frei“.

Er g’spürt sich nicht, würde man hierzuland­e sagen. So reflektier­t er in „Wouldn’t Leave“auch noch – von oben herab – über seinen Sklaverei-Sager: „Stellt euch vor, ich hätte einen wirklich wilden Tag gehabt.“Die Musik aber unterfütte­rt das mit einem

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Vereint in der „Drachenene­rgie“: Kanye West und Donald Trump

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