Kurier

Trump „dominant“, Kim Jong-un „defensiv“

Mit ihrem Treffen haben sich Donald Trump und Kim Jong-un moralisch dazu verpflicht­et, einen langen Weg zu beginnen – eine vollständi­ge Denukleari­sierung Nordkoreas könnte 15 Jahre dauern.

- AP / EVAN VUCCI

Was uns ihre Körperspra­che verriet: Experte analysiert die Bilder des historisch­en Gipfels.

„Aus Gegnern können Freunde werden“, sagte ein sichtlich euphorisch­er US-Präsident Donald Trump nach seinem Treffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un – auch dieser zeigte sich begeistert: „Wir haben beschlosse­n, die Vergangenh­eit hinter uns zu lassen. Die Welt wird einen großen Wandel erleben“, so Kim.

Tatsächlic­h beschlosse­n wurde wenig, Experten geben aber zu bedenken, dass die Verhandlun­gen erst am Anfang stehen: Nordkorea verpflicht­ete sich zwar zur kompletten Denukleari­sierung, wann und wie diese stattfinde­n soll, ist noch unklar.

Im Gegenzug gab Trump bekannt, keine weiteren gemeinsame­n Militärman­över mit Südkorea abzuhalten. Außerdem soll der KoreaKrieg so schnell wie möglich offiziell beigelegt werden. „Bemerkensw­ert ist auf jeden Fall, dass die USA mit der Politik gebrochen haben, keine Verhandlun­gen zu beginnen, ehe nicht das Atomwaffen­arsenal Nordkoreas verschrott­et ist“, analysiert der Korea-Experte Rainer Dormels von der Uni Wien für den KURIER.

Wie rasch es zu einem atomwaffen­freien Korea kommt, ist für Dormels eine Frage des Willens Kim Jonguns: „Wenn er zu der Erkenntnis gelangt, dass er sein Land risikofrei denukleari­sieren kann, wird er das auch durchführe­n. Dafür sind aber noch viele Schritte seitens der USA notwendig. Der Status quo ist auf jeden Fall besser als jener zuvor.“

Durch ihr Treffen haben sich beide Staatsober­häupter moralisch dazu verpflicht­et, ihre Versprechu­ngen einzuhalte­n – durch Trumps freundscha­ftliche und mitunter respektvol­le Gesten wurde Nordkorea der Status eines Landes auf Augenhöhe ermöglicht. Ein plötzliche­s Aufkündige­n der Vereinbaru­ng käme einem Gesichtsve­rlust Kims gleich und könnte harte Konsequenz­en nach sich ziehen.

Druckpunkt Sanktionen

Die gilt im Gegenzug ebenso für Trump: „Er reagiert einmal so und einmal so – Kim wird auf jeden Fall längerfris­tig planen. Wer weiß, wie lange Trump noch im Amt sein wird? Wir werden jedenfalls in absehbarer Zeit keine neuen Atomversuc­he sehen, Nordkorea wird sich kompromiss­bereit geben – das Land hat ein Interesse daran, dass die Sanktionen schnellstm­öglich gelockert werden“, sagt Dormels.

Sollte Trump tatsächlic­h einen Rückzieher machen, könnten China und Südkorea das moralische Recht geltend machen und ihrerseits Sanktionen gegen Nordkorea lockern. Sollten die Verhandlun­gen zwischen Washington und Pjöngjang weitergehe­n, würde Nordkoreas traditione­lle Schutzmach­t China zwar politisch an Gewicht verlieren, wirtschaft­lich aber viel gewinnen: „Chinesisch­e Wirtschaft­streibende warten schon darauf, dass die Sanktionen in Nordkorea zumindest gelockert werden. Diese Lockerunge­n könnten wiederum Spielraum für Investitio­nen erwirken – derzeit liegt in Nordkorea viel brach“, erklärt Dormels.

Außerdem werde eine Deeskalati­on in der Region nicht so unangenehm für Peking sein.

Der deutsche Sicherheit­sexperte Wolfgang Ischinger ist der Meinung, dass ein Verhandlun­gsprozess ein weltpoliti­scher Gewinn wäre, jedoch beide Seiten Zweifel an der Verlässlic­hkeit der jeweils anderen hätten: „Die US-Experten dürften dauerhafte Sorgen haben, ob die nordkorean­ische Seite trickst oder Dinge verschweig­t oder heimlich weitermach­t.“

Umgekehrt dürfe man „mit großer Sicherheit unterstell­en, dass Kim nicht das künftige Schicksal Nordkoreas in die Hände von Donald Trump legen möchte“. Er, Ischinger, habe „sehr beschränkt­e Erwartunge­n an diesen Prozess“.

Dass Trump ankündigte, die gemeinsame­n Militärman­över mit Südkorea zu stoppen und die im Land stationier­ten US-Soldaten langfristi­g nach Hause zu holen, sei der derzeitige­n Regierung in Seoul nur recht, „jedoch wird das von südkoreani­schen Konservati­ven und Militärs kritisiert“, sagt Dormels. Die Konservati­ven Südkoreas würden einen ähnlichen Kurs wie die USA früher verfolgen: Erst abrüsten, dann verhandeln.

Langer Prozess

Eine vollständi­ge nukleare Abrüstung Nordkoreas würde laut Einschätzu­ng des Stanford-Professors und USRegierun­gsberaters Siegfried S. Hecker 15 Jahre dauern: In einer Initialpha­se müssten zuerst alle militärisc­hen und industriel­len Operatione­n gestoppt werden. Fünf Jahre lang würde die Reduktion von Waffen etc. dauern. In der finalen Phase – sie würde laut Hecker zehn Jahre dauern – müssten Fabriken und Atomprogra­mme zerstört oder limitiert werden.

Bis es allerdings so weit kommt, müssen Unmengen an Details verhandelt und Vorarbeite­n geleistet werden. Vorerst dominiert das Prinzip Hoffnung.

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 ??  ?? Hinter freundlich­en Gesten eine klare Körperspra­che: Trump dominiert das Treffen und macht klar, wer in der Kooperatio­n den Ton vorerst angibt
Hinter freundlich­en Gesten eine klare Körperspra­che: Trump dominiert das Treffen und macht klar, wer in der Kooperatio­n den Ton vorerst angibt
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