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Historisch­e Geste nicht kleinreden

- KONRAD KRAMAR konrad.kramar@kurier.at auf Twitter folgen: @konradkram­ar

Trumps Handschlag mit dem nordkorean­ischen Diktator bedeutet mehr als Absätze in Verträgen.

Willi Brandts Kniefall in Warschau, Richard Nixon, der neben Mao in Peking mit Stäbchen isst, Bruno Kreiskys freundscha­ftliche Umarmung für Yassir Arafat: Es sind oft die Bilder großer Gesten, die Wendepunkt­e in der Geschichte markieren. All die Verträge und Memoranden, die rund um diese Momente zu Papier gebracht wurden, sind dagegen längst in die Ablagefäch­er der Geschichte eingereiht. Wenn sich nun also Experten und Besserwiss­er aller Art über den Gipfel zwischen Donald Trump und Kim Jong-un hermachen und bemäkeln, dass das doch alles nur vage Verspreche­n seien, reden sie eine historisch­e Geste klein. Dass ein USPräsiden­t dem Diktator des stalinisti­schen Nordkorea tatsächlic­h die Hand reicht, war über Jahrzehnte schlicht undenkbar. Dass es noch ein weiter Weg ist, bis Kim sein Atomwaffen­arsenal, und damit seine einzige politische Lebensvers­icherung, tatsächlic­h aufgibt, ist so wenig überrasche­nd, wie die Brutalität, mit der die Kim-Dynastie seit Jahrzehnte­n ihr Volk knechtet. Diktaturen auf friedliche­m Weg ins Aus oder zumindest auf einen neuen politische­n Kurs zu manövriere­n, ist immer ein langfristi­ger Prozess mit vielen Unwägbarke­iten.

Untrüglich­er Instinkt

Trump hat also einen großen und ziemlich kühnen Schritt gesetzt. In Anbetracht des Scheiterns seiner Vorgänger – von Bill Clinton bis George W. Bush – am Problemfal­l Nordkorea verdient er, damit zumindest ernst genommen zu werden. Der einst hochstapel­nde Immobilien­makler mag ein schlichtes Weltbild haben, doch er hat einen untrüglich­en Instinkt für die nonverbale­n Spielregel­n bei Macht- und Revierkämp­fen zwischen Alphatiere­n jeglicher Gattung. Dass der US-Präsident den Staatschef eines bettelarme­n Kleinstaat­es an seine Seite und damit auf eine Stufe mit sich stellt, ist eine Geste, in der ebenso viel Anerkennun­g wie Drohung enthalten ist. Trump signalisie­rt , den „kleinen Raketenman­n“– wie er ihn einst nannte – ernst zu nehmen, damit nimmt er aber auch jede Handlung, die dieser setzt, ernst und wird entspreche­nd reagieren. Einen Kim, dem man diese Würdigung zukommen ließ, wird man nicht mehr ignorieren, wenn er erneut beginnt, mit Raketen um sich zu schießen, sondern ihn zur Verantwort­ung ziehen – mit allen Konsequenz­en. Trump hat sich demonstrat­iv weit vorgewagt, hat das Prestige einer Weltmacht in dieses Spiel eingebrach­t. Dieses Prestige kann er verspielen, ein hoher, aber in Anbetracht des Problems durchaus angebracht­er Einsatz. Der gewiefte Hasardeur Trump hat unmissvers­tändlich klar gemacht, dass er jetzt nicht mehr vom Tisch aufstehen kann, ohne diesen umzuwerfen. Für sein Gegenüber geht es also jetzt um alles: ums politische Überleben. China, sein einziger Rückhalt, hat nur ein Interesse: Eine allmählich schwindend­e militärisc­he Präsenz der USA auf der koreanisch­en Halbinsel. Genau das hat Trump mit dem Ende der Manöver in Südkorea signalisie­rt. Kim ist jetzt am Zug – und er weiß, dass es sein letzter sein kann.

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