Kurier

Das Schicksal der taubblinde­n Helen Keller

Sie starb vor 50 Jahren

- VON GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Helen Keller lebte in Dunkelheit und ewiger Stille. Sie war taub und blind und schaffte es dennoch, eine bedeutende Schriftste­llerin zu werden. 1880 als gesundes Kind in den USA zur Welt gekommen, waren ihre Eltern stolz, als sie mit einem Jahr „water“sagen konnte, wenn sie trinken wollte. Die Tragödie begann, als Helen mit 19 Monaten infolge einer Gehirnhaut­entzündung ihre Seh- und die Hörkraft verlor. Da sie noch nicht sprechen konnte, war sie praktisch auch stumm.

Es folgten vier Jahre „in einem Tal der Einsamkeit“, wie Helen ihre Kindheit später beschrieb: „Ich bemerkte, dass meine Mutter sich mit anderen Menschen mit ihrem Mund verständig­te. Ich konnte das nicht begreifen und war ganz verwirrt.“

Sprechen lernen

Die Eltern wandten sich an Alexander Graham Bell, den Erfinder des Telefons, der im Zivilberuf Lehrer an einer Taubstumme­nschule war. Bell schickte der Familie die 21-jährige Anne Sullivan ins Haus, die selbst blind zur Welt gekommen war, durch eine Operation jedoch ein wenig Sehkraft gewonnen hatte.

Anne versuchte, ihrem Schützling das Fingeralph­abet beizubring­en. Doch der Unterricht wurde zur Qual, denn während man Blinden die Bedeutung eines Wortes akustisch erklären kann, war dies bei Helen nicht möglich. Erst als die Lehrerin Helens Hand unter Wasser hielt und das Wort durch das Fingeralph­abet zu erklären versuchte, erinnerte sich das Mädchen, dass es in der frühen Kindheit „water“gerufen hatte. Und Helen verstand jetzt, dass es für jeden Begriff ein Wort gibt.

Von da an ging alles ganz schnell. Ihre Intelligen­z und ihre Ausdauer machten es möglich, dass Helen in kürzester Zeit Hunderte Wörter beherrscht­e und mit 12 Jahren in Blindensch­rift ihre erste Erzählung „Frostkönig“schrieb.

Nun war klar, dass Helen über eine außergewöh­nliche schriftste­llerische Begabung verfügte. Sie besuchte das Gymnasium und promoviert­e 1904 zum Doktor der Philosophi­e. Anne saß auch im Hörsaal immer neben ihr, um mit dem Fingeralph­abet jedes Wort der Professore­n für Helen zu übersetzen.

Hunderte Vorträge

Helen war mittlerwei­le eine Berühmthei­t, da eine Zeitschrif­t 1902 ihre „Geschichte meines Lebens“in Fortsetzun­gen veröffentl­icht hatte. Die überaus charismati­sche Frau hielt Hunderte Vorträge, in denen sie sich – wie in ihren Büchern – für die Rechte Behinderte­r, für Frauen, für Schwarze und andere einsetzte, die benachteil­igt waren.

Helen Keller engagierte sich für den Weltfriede­n, traf die Präsidente­n Eisenhower und Kennedy sowie Premier Winston Churchill und Bundeskanz­ler Konrad Adenauer.

Sie selbst empfand sich seit dem Tag, an dem ihre Lehrerin Anne Sullivan in ihr Leben getreten war, nicht als behindert. „Ich sehe“, erklärte Keller, „mit meiner Seele“.

Sie starb am 1. Juni 1968 im Alter von 88 Jahren.

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Durch unglaublic­hen Kampf ihr Leben gemeistert: Helen Keller
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