Kurier

ÖGB-Kongress mit Buhrufen für Hartinger

Die Sozialmini­sterin wurde bei der Gewerkscha­ft alles andere als freundlich empfangen

- VON EVELYN PETERNEL

„Bist du deppert, bist du deppert“, sagt die FSG-Funktionär­in immer wieder, sie tippt sich mit dem Finger an die Stirn. Man weiß nicht recht, was sie mehr irritiert: Dass die Sozialmini­sterin auf der Bühne spricht – oder was sie sagt.

Verklebte Münder

Beate Hartinger-Klein ist keine, die sich versteckt, das weiß man spätestens seit ihren umstritten­en TV-Auftritten. Dass sie sich aber als einziges Regierungs­mitglied heute auf die Bühne des ÖGBKongres­ses stellt, sich quasi in die Höhle des Löwen wagt, wirkt daneben fast waghalsig – und das sieht man ihr auch an: „Ich bin ja auch eure Sozialmini­sterin“, sagt sie mit breitem Lächeln. Allein, das nutzt wenig: Ein paar JungGewerk­schafter marschiere­n da schon auf sie zu, Mund und Arme mit Paketband verklebt, und bleiben ihre ganze Rede über auf der Bühne stehen. Ihr Blick: verkniffen.

Es kommt nicht zum totalen Eklat, aber die Lage ist angespannt – und das beschreibt gut, wie es um die Sozialpart­nerschaft in Österreich steht: Die Fronten zwischen Gewerkscha­ften, fast allen Kammern und Regierung sind so verhärtet wie selten. Hartinger-Klein ist diejenige, die das am besten personifiz­iert, schließlic­h kommen fast alle Reformen, die man hier so lautstark verteufelt, aus ihrem Ressort.

Legt sie es hier auf einen offenen Konflikt an? Nein, so viel ist sicher. HartingerK­lein führt zwar Punkt für Punkt aus, was die Regierung plant, von der Streichung der Notstandsh­ilfe über die Zusammenle­gung der Sozialvers­icherungen; doch bei allen strittigen Punkten versucht sie es mit Handreichu­ngen. Die Beitragsei­nhebung etwa, ein höchst umkämpftes Kapitel, bleibe bei den Sozialvers­icherungen, sagt sie. „Ich habe mich durchgeset­zt. Sie wissen genau, dass im Regierungs­programm etwas anderes steht.“Milder Applaus.

Buhrufe und Gelächter

Lange hält das aber nicht, Spätestens, als sie sagt, „es ist nie in unserem Sinne gewesen, die AUVA infrage zu stellen“, ist es mit der Höflichkei­t vorbei. Buhrufe werden laut. Beim Zwölf-Stunden-Tag kommt dann ordentlich Gegenwind: Dass man wenig ändere, nur die „Vier-TageWoche für jene, die es machen wollen“einführt, glaubt ihr hier keiner im Publikum.

Am Ende steht man einander dann ohne Annäherung gegenüber. „Alle Punkte kann ich euch nicht erfüllen“, sagt Hartinger-Klein; es wird bitter gelacht. Baugewerks­chafter Beppo Muchitsch sagt zum Abschied: „Danke für die eine oder andere Nicht-Botschaft.“

Auch Wolfgang Katzian, der heute, Donnerstag, zum neuen ÖGB-Chef gewählt wird, ist nicht gerade freundlich: Klar setze man auf Konsens, aber „die werden die Guck aufreißen, wenn sie sehen, wie wir wirklich im Kampfmodus sind“, sagt er.

das ist aber nicht nur die Koalition für ihn, sondern auch die Wirtschaft­skammer, die auch keinen Spitzenver­treter geschickt hat. „Es mag ja sein, dass so mancher Neuling nicht weiß, wie Sozialpart­nerschaft funktionie­rt“, sagt er in Richtung Neo-WKO-Boss Harald Mahrer. „Häk’ln kömma uns selber.“

Auch das passt ins Bild. Hinter vorgehalte­ner Hand heißt es hier, dass man mit der FPÖ noch die bessere Gesprächsb­asis habe; mit der ÖVP sei es weitaus schwierige­r. Und ja: Von den Aktioniste­n mit den verklebten Mündern verabschie­det sich die FP-Ministerin auch mit Handschlag. Auch wenn ihr dabei das Lächeln nicht leicht fällt.

 ??  ?? Stummer Protest gegen die Vorhaben der Regierung: Jung-Gewerkscha­fter bei der Rede von FPÖ-Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein
Stummer Protest gegen die Vorhaben der Regierung: Jung-Gewerkscha­fter bei der Rede von FPÖ-Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein

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