Kurier

Lager für Flüchtling­e außerhalb der EU

Österreich und seine Verbündete­n in Italien und Bayern wollen EU-Asylpoliti­k umkrempeln

- VON BERNHARD GAUL UND SANDRA LUMETSBERG­ER

Der Streit der vergangene­n Tage hat Horst Seehofer viel Kraft gekostet, der 68-Jährige sieht müde aus, das Gesicht fahl. Wie lange spielt er noch gegen die Kanzlerin, gibt den harten Horst, der Asylsuchen­de noch an der deutschen Grenze wegschicke­n will? Das fragen sich viele hier in Berlin.

Aus Österreich kam Seehofer am Mittwoch eine ausgestrec­kte Hand entgegen: Kurz nach zwölf Uhr trat er mit Bundeskanz­ler Sebastian Kurz im Innenminis­terium vor die Presse. Sie schüttelte­n die Hände, lobten einander – zwei, die sich verstehen. Dem Konflikt um eine mögliche deutsche Grenzschli­eßung – Asylsuchen­de würden auch in Österreich festsitzen – gingen sie aus dem Weg. Kurz wollte es nicht kommentier­en, wie schon am Dienstag bei Angela Merkel, wo er noch über seine Pläne zum EU-Ratsvorsit­z parlierte: Höflich, wie ein Gast eben ist, aber auch vage. Er wolle verhindern, „dass Menschen quer durch Europa ziehen, um dann in Deutschlan­d und Schweden einen Asylantrag zu stellen“. Aber er wolle während des Vorsitzes auch an einer europäisch­en Lösung arbeiten, versichert­e er.

Allianz gegen Merkel

Gestern schlug er dann andere Töne an: Im Kampf gegen illegale Migration braucht es „eine Achse der Willigen“– eine Wortwahl, für die er später viel Kritik bekam. Die Achse Berlin-Rom war das Bündnis von Hitler und Mussolini.

Was Kurz und Seehofer auf jeden Fall bewusst war: Ihren Pakt wird man als Allianz gegen die Kanzlerin deuten. Denn bei seinem Auftritt mit ihr war davon noch keine Rede. Auch Merkels Regierungs­sprecher erklärte, die Kanzlerin kenne diesen Vorstoß nicht.

„Es geht um eine gesamteuro­päische Lösung“, so Merkel beim Integratio­nsgipfel, an dem Seehofer nicht teilnehmen wollte. Es gebe Ankunftslä­nder mit vielen Migranten: Italien, Spanien und Griechenla­nd. „Deshalb glaube ich, dass es dort viele solche Kooperatio­nsangebote geben soll“, sagte die Kanz- lerin. Nachsatz: „Wenn wir zu einer gemeinsame­n europäisch­en Antwort auf die Fragen der illegalen Migration, aber auch Formen der legalen Migration kommen wollen.“

Ob das der Kreis der willigen Männer auch so sieht? Man wolle auf „regionaler Ebene“zusammenar­beiten. Ziel sei es, „Migration zu reduzieren“. Wie die Connection überhaupt zustande kam? Das weiß Seehofer zu berichten: Dienstagab­end erhielt er einen Anruf seines Amtskolleg­en Matteo Salvini. Der Chef der fremdenfei­ndlichen Lega hatte zuvor ein Schiff mit mehr als 600 Flüchtling­en abgewiesen, dann schlug er Seehofer eine enge Kooperatio­n zwischen Rom, Berlin und Wien vor. Salvini wird auch seinen Amtskolleg­en Kickl treffen.

Ein Bündnis, besetzt aus drei Innenminis­tern, die sich für einen harten Kurs in der Flüchtling­spolitik einsetzen, wird europaweit auch auf Widerstand stoßen. Das Problem: Europa hat noch immer keinen geeigneten Plan, wie mit Asylwerber­n künftig verfahren werden soll.

Fast zeitgleich kommt ein Vorstoß von Kurz, den er schon im Wahlkampf angesproch­en hatte: Bereits abgewiesen­e Asylwerber, aber auch neu in der EU ankommende Asylwerber, sollten in Sammellage­r außerhalb der EU gebracht und dort überprüft werden. Es gebe bereits konkrete Gespräche mit anderen EU-Staaten, bestätigte Kurz; nicht aber, wo solch ein Lager mit EU-Geldern aufgebaut werden könnte.

Mögliche Standorte

Albanien wird immer wieder genannt, Kurz wollte das aber weder bestätigen noch dementiere­n. Innenminis­ter Kickl hatte bei einem Treffen der EU-Innenminis­ter bereits von solch einem Plan gesprochen: Kickl soll damals neben Albanien auch den Kosovo als möglichen Standort genannt haben. Doch einfach wird das nicht: „Das hat nichts mit dem europäisch­en Solidaritä­tsgedanken zu tun“, hat Luxemburgs Außenminis­ter Jean Asselborn bereits Widerstand angekündig­t. Er werde sich gegen diese Initiative stemmen „und sie bis zum letzten Tropfen Blut bekämpfen“, sagte Asselborn zum Luxemburge­r Wort.

Nicht Sammellage­r, sondern „Ankerzentr­en“, wo Asylsuchen­de von Ankunft bis Abschiebun­g bleiben müssen, wären Teil von Seehofers „Masterplan“, den er nach dem Streit mit Merkel nicht präsentier­en wollte. Dass er nun eine Allianz mit Kurz formt, ist ein Signal an sie: Die nächste Kraftprobe steht an.

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Kommen und Gehen im Asylzentru­m in Babrru, einem Vorort der albanische­n Hauptstadt
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Zwei Willige: Kurz und Seehofer wollen mit Italien kooperiere­n, die Kanzlerin kannte die Pläne nicht

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