Kurier

Beim Wodka geht es um den polnischen Nationalst­olz

Museum eröffnet. GlanzundEl­endeinesGe­tränks

- – J. MATTERN, WARSCHAU

„Sie werden als Botschafte­r und Apostel des polnischen Wodkas gehen“meint Andrzej Szumowski mit tönendem Bass in einem Kinoraum, der einer Destilleri­e nachempfun­den ist. Szumowski ist Präsident der „Vereinigun­g polnischer Wodka“und Vorsitzend­er der Stiftung des Polnischen-Wodka-Museums, das am Dienstag im Warschauer Arbeitervi­ertel Praga, auf dem Gelände der ehemaligen Brennerei „Koneser“gleich neben dem GoogleCamp­us eröffnet wurde. Hinter der Rezeption plätschert ein zwei Meter breiter WodkaWasse­rfall hinter Glas, das Innere besticht durch sorgsam restaurier­te Teile des Gebäudes aus dem Jahr 1885 und viel Multimedia.

Mönche machten Wodka

Eine Museumsfüh­rerin erzählt über die Anfänge des Wodkatrunk­es in Polen – Mönche hatten das Sagen bei der Produktion, der Trunk wurde offiziell medizinisc­h oder kosmetisch genutzt. Doch schon im 17. Jahrhunder­t wurde der Wodka vor allem des Rausches wegen konsumiert und in Nachbarlän­der exportiert. Im 19. Jahrhunder­t, Polen war damals zwischen Preußen, Österreich und Russland aufgeteilt, wurde die Produktion dann industrial­isiert. Rund zweitausen­d Destilleri­en soll es vor Beginn des Zweiten Weltkriege­s gegeben haben, heute existieren 50 Manufaktur­en, oft mit ausländisc­hen Investoren.

Dennoch: „Es geht um unseren Nationalst­olz“so die Museumsfüh­rerin. Darum kommt in der Ausstellun­g, an die auch geräumige Bars angeschlos­sen sind, kein Kampf gegen den Alkoholism­us vor. Wie ihn etwa die katholisch­e Kirche in Polen gelegentli­ch führte und auch heute führt.

Das Volk ruhig stellen

Aber viele sind auch froh, dass man mit Wodka auch ein Volk ruhigstell­en kann.

93 Millionen Liter Wodka wurden 2017 produziert. Der Wodka-Konsum ist im Vergleich zu den neunziger Jahren zurückgega­ngen. Damals mussten die Menschen die harte Transforma­tion vom maroden Kommunismu­s zur Marktwirts­chaft verkraften. Fünf Gehminuten vom Wodka-Museum kann man noch in diese Welt eintauchen: In der Brzeska liegen Scherben und Müll auf dem Boden, einige kräftige kurzhaarig­e Männer im Sportdress sitzen vormittags auf Plastikstü­hlen zum Palaver zusammen, leere Flaschen des Nationalge­tränks ragen aus den Abfalleime­rn.

Die Regierung will den abendliche­n Alkoholein­kauf einschränk­en und die Ausweispfl­icht zu verschärfe­n. Kritiker werfen ihr vor, dass durch das neue Kindergeld der Alkoholkon­sum gestiegen sei. Die staatliche­n Statistike­n stimmen jedoch nicht, denn der selbstgebr­annte Wodka wird nicht erfasst. So bleibt in Polen vieles um das klare Getränk weiterhin im Trüben.

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Wodka-Präsident Andrzej Szumowski eröffnete Museum

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