Kurier

Katastroph­engebiet zweites Mal hart getroffen

Unwetter. Während am Mittwoch in NÖ aufgeräumt wurde, kamen die nächsten Wassermass­en

- VON ELISABETH HOLZER UND PATRICK WAMMERL

Absperrbän­der der Polizei hängen seit Dienstagna­cht vor jedem Zugang zum Grazer Stadtpark. „Nehmen Sie das ernst“, mahnt Bürgermeis­ter Siegfried Nagl. „Es geht um Menschenle­ben. Das haben wir schmerzvol­l registrier­en müssen.“

Ein junger Mann starb am Dienstag, kurz vor 18.30 Uhr, in dem Park: Er wurde von einer 40 Meter hohen Fichte erschlagen. Der 26Jährige, in Graz lebende Rumäne, kam nicht schnell genug weg, als der Baum östlich des Brunnens von einer Sturmböe gefällt wurde.

Im Stadtpark als auch in der Kärntnerst­raße wurden Windgeschw­indigkeite­n in Orkanstärk­e gemessen: 140 km/h. Der Sturm zog durchschni­ttlich mit 100 km/h Schneisen in Alleen: Gut 1000 Bäume dürften betroffen sein, schätzte die Feuerwehr, vor allem im Stadtpark und am Schlossber­g, der ebenso gesperrt wurde wie Rosenhain und Leechwald. Dort herrscht Lebensgefa­hr: Bei jedem neuen Regen oder Sturm könnten auch diese Bäumefalle­n.Mitarbeite­rder Holding Graz müssen jeden einzelnen Baum begutachte­n, ehe die Sperren aufgehoben werden können.

Belastungs­proben

liert werden. Nur wer das nachweisen kann, hat ein Schlupf loch aus der Haftung. Das Urteil dürfte nun auch für den Fall des getöteten 26-Jährigen richtungsw­eisend sein.

Die Feuerwehr registrier­teallerdin­gsbisMittw­ochvormitt­ag250Zwisc­henfällewe­gen Bäumen oder abgebroche­nen Ästen. „Für Schadeners­atz ist aber Verschulde­n nötig“, erläutert Bettina Schrittwie­ser, Konsumente­nschützeri­n der Arbeiterka­mmer. Rechtlich gelten Elementare­reignisse aber als höhere Gewalt: Der Besitzer eines geknickten Baumes könne für Schäden etwa an Autos nur haftbar gemacht werden, wenn der Baum schon vorher erkennbar morsch war oder nicht kontrollie­rt wurde. „Dann bleibt nur zu schauen, ob die eigene Kaskoversi­cherung zahlt“, beschreibt Schrittwie­ser.

Soforthilf­e für Opfer

Was die Schadensab­wicklung in den Unwetterge­bieten betrifft, hat das Kanzleramt angekündig­t, Mittel aus dem Katastroph­enfonds frei zu machen. Den Opfern soll rasch und unbürokrat­isch geholfen werden, sichert beispielsw­eise das Land Niederöste­rreich zu. Die nö. Arbeiterka­mmer stellt all ihren betroffene­n Mitglieder­n 1000 Euro Soforthilf­e für Reparature­n zur Verfügung. Ein Video hat sich nach den schweren Unwettern in den sozialen Medien wie ein Lauffeuer verbreitet. Es zeigt, wie 600 kg schwere Siloballen in einer Sturzflut an einem Haus vorbei treiben. Dieses Anwesen in Otterthal gehört Rosemarie und Peter Feuchtenho­fer. Die kleine Ortschaft am Wechsel war am Dienstag einer der betroffens­ten Orte in dem zum Katastroph­engebiet ausgerufen­en Bezirk Neunkirche­n in Niederöste­rreich.

Sturzbäche aus den umliegende­n Bergen haben 21 Häuser und Anwesen in der Ortschaft geflutet. „Die Heuballen sind wie Wasserbäll­e vorbeigesc­hwommen. Der Keller stand bis zur Decke unter Wasser, das Erdgeschoß war bis zu einer Höhe von 115 cm überf lutet“, erzählt Rosemarie Feuchtenho­fer. Als das Wasser bereits hüfthoch war, musste die gesamte Familie samt Hund „Charlie“aus dem landwirtsc­haftlichen Anwesen gerettet werden. Alle Habseligke­iten aus dem Erdgeschoß fielen der Flut zum Opfer.

Was die Familie fasziniert, ist die Welle der Hilfsberei­tschaft. „Nicht nur die Feuerwehr, auch wildfremde Menschen sind gekommen um uns beim Zusammenrä­umen zu helfen“, sagt die Betroffene.

Doch kaum waren die ersten Schäden am Mittwoch beseitigt, öffnete der Himmel erneut seine Schleusen. Eine derart dramatisch­e Situation habe es seit Jahrzehnte­n nicht gegeben, heißt es seitens der Einsatzkrä­fte. Nach starken Regenfälle­n kam es in den Bezirken Neunkirche­n und Wiener Neustadt erneut zu großräumig­en Überflutun­gen. In den betroffene­n Orten im Wechselgeb­iet gingen mehrere Muren ab, wieder wurden Keller überf lutet. Erneut standen hunderte Feuerwehrl­eute im Einsatz, unterstütz­t von zwei Katastroph­enhilfszüg­en. Im Bezirk Neunkirche­n dauerten die Regenfälle Mittwochab­end noch an.

Rekordrege­n

Laut Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik war in gewissen Regionen bereits am Dienstag binnen drei Stunden so viel Regen gefallen, wie sonst in einem Monat. Rekordhalt­er war Puchberg am Schneeberg mit 116 Millimeter pro Quadratmet­er, in einem durchschni­ttlichen Juni sind es in dem Bereich etwa 120 mm/m2. Neben Teilen der Steiermark sowie dem Mittel- und Südburgenl­and war vor allem Niederöste­rreich von den Unwettern am stärksten betroffen. In den Bezirken Neunkirche­n, Wiener Neustadt, Zwettl, Krems oder Gmünd waren an insgesamt 350 Einsatzort­en etwa 1100 Feuerwehrl­eute stundenlan­g beschäftig­t.

Das Blitzortun­gssystem Aldis registrier­te heuer bereits rund 66.000 Blitzeinsc­hläge in Österreich. Das ist der stärkste Start in die Blitzsaiso­n seit dem Jahr 2009. Damals schlugen bis Anfang Juni knapp 80.000 Blitze ein.

 ??  ?? Der 40 Meter hohe Baum stürzte binnen Sekunden: Ein 26-Jähriger Mann hatte keine Zeit mehr, zu flüchten, er wurde getroffen und getötet. In den Grazer Parks und Wäldern gibt es noch weitere Gefahrenst­ellen
Der 40 Meter hohe Baum stürzte binnen Sekunden: Ein 26-Jähriger Mann hatte keine Zeit mehr, zu flüchten, er wurde getroffen und getötet. In den Grazer Parks und Wäldern gibt es noch weitere Gefahrenst­ellen
 ??  ?? Die Familie und der Hund wurden aus dem überflutet­en Haus gerettet
Die Familie und der Hund wurden aus dem überflutet­en Haus gerettet
 ??  ?? Schlammlaw­inen machten im Katastroph­engebiet vor nichts halt
Schlammlaw­inen machten im Katastroph­engebiet vor nichts halt
 ??  ?? Rosemarie Feuchtenho­fer (re.) traf es besonders schlimm
Rosemarie Feuchtenho­fer (re.) traf es besonders schlimm

Newspapers in German

Newspapers from Austria