Kurier

Gute Schokolade, böse Butter

Ernährung. Unzählige Diätratgeb­er und Studien erklären uns, was wir essen sollen. Aber auf wen hören?

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„Weniger Fett“, „Superfood“, „13 Vitamine“, „Glutenfrei, das schmeckt“, „silofrei“, „länger frisch“, - nur eine kleine Auswahl von Anpreisung­en für ein Produkt auf dessen Verpackung.

Aber ganz ehrlich: Wissen Sie, welche dieser 13 Vitamine Sie wirklich brauchen? Wie das Produkt „länger frisch“gemacht wurde und was „silofrei“heißen soll?

Im Supermarkt ist nicht nur die Auswahl an Produkten kaum überschaub­ar, das sind auch die Angaben darüber, was sie alles Tolles enthalten – oder Ungesundes nicht enthalten. Wie soll man da nicht verrückt werden bei der Frage, was jetzt wirklich gesund und richtig ist?

Frankenste­ins Monster

Die Anzahl der sich widersprec­henden Ernährungs­und Diätratgeb­er spricht Bände und füllt Regale. Das Problem ist, sagt der Journalist Michael Pollan in seinem Buch Wir nehmen nicht mehr Essen zu uns. Nicht Äpfel, Eier und Schnitzel, sondern Kohlenhydr­ate, Antioxidan­tien und Omega-3-Fettsäuren. Eine unheilige Allianz aus Wissenscha­ft und Industrie habe das Essen zerstört, in seine Bestandtei­le zerlegt und wie Frankenste­ins Monster wieder neu zusammenge­setzt.

Kunstprodu­kte wie Margarine, Fischstäbc­hen und veganer Käse haben die Regale erobert. Aber letztendli­ch, glaubt Pollan, nicht zum Wohle der Menschen.

Viele dieser neuen Produkte und die Ernährungs­tipps, die mit ihnen einhergega­ngen sind, haben uns kränker und dicker gemacht, schreibt Pollan. Sein Paradebeis­piel: die Lobpreisun­g der „Lebens-Mittel“: Margarine. Das künstliche Streichfet­t wurde der Legende nach von Napoleon erfunden, um seine Streitkräf­te zu ernähren, und galt zunächst als billige Butteralte­rnative. Bis die Ernährungs­wissenscha­ften ins Spiel kamen und die gesättigte­n Fettsäuren in der Butter für ungesund und gefährlich erklärten – Margarine war plötzlich nicht die billige, sondern die gesunde Alternativ­e.

Bis sich herausstel­lte: Alles nicht wahr. Margarine enthielt künstliche Transfette, die bei der Erhitzung pflanzlich­er Öle entstehen. Zitat aus der österreich­ischen Trans-Fette-Verordnung: „Künstliche Trans-Fette sind die gefährlich­sten Fette. Sie haben in Lebensmitt­eln keine notwendige Funktion, fördern aber Herzkreisl­auf-Erkrankung­en.“Ups.

Großes Ups

Seit Juni 2018 sind Transfette in den USA verboten, in Österreich gelten strenge Beschränku­ngen für den Transfetta­nteil in Lebensmitt­eln. Denn laut Weltgesund­heitsorgan­isation WHO stehen sie mit einer halben Million Todesfälle­n weltweit in Verbindung. Großes Ups.

Die meisten Margarinen kommen mittlerwei­le ohne Transfette aus, Butter gilt trotzdem wieder als die gesündere Alternativ­e. Den Margarine-Propagandi­sten kann man zugutehalt­en, dass sie es nicht besser wussten. Aber das gilt längst nicht für alle Lebensmitt­el. Beispiel Schokolade.

Jeder mag Schokolade. Jeder weiß auch: Sie enthält viel Zucker und zu viel Zucker ist nicht gut für uns. Wäre es also nicht paradiesis­ch, würde Schokolade nicht nur wunderbar schmecken, sondern auch gesund sein? Ist sie doch!, werden jetzt einige sagen. Es gibt zahlreiche Studien, die genau das nachweisen wollen. Weniger bekannt ist: Viele wurden vom Süßwarenhe­rsteller Mars finanziert, das ist der Konzern, der viel von dem produziert, das wir nicht essen sollten, aber gerne tun: Mars, Snickers, M&Ms, Maltesers.

Das US-Nachrichte­nportal hat 100 von Mars finanziert­e Studien untersucht und ist zu einem Befund gekommen, der erstaunlic­h klingt: 98 davon kamen zu einem positiven Urteil über Schokolade und Kakao.

Flavanol zum Beispiel, das in Kakao und Tees enthalten ist, könnte einer Studie zufolge einen Teil des Hippocampu­s positiv beeinfluss­en, der für die Gedächtnis­leistung wichtig ist.

Die Sache hat allerdings einen Haken: Damit eine ausreichen­de Menge an Flavanolen aufgenomme­n werden kann, die diese positiven Effekte auslösen könnte, müsste eine Person 5800 Kalorien an Milchschok­olade zu sich vox.com nehmen. Jeden Tag. Manche Medien brachen die Ergebnisse der Studie dennoch auf eine simple Schlagzeil­e herunter: „Schokolade gut gegen Alzheimer“. Es ist kein Wunder, dass viele irritiert und verunsiche­rt sind.

Die Lösung wäre laut Michael Pollan ganz einfach: Esst echte Lebensmitt­el. Nicht zu viel. Hauptsächl­ich Pflanzen. Kauft keine Produkte, die damit werben, gesund zu sein. Meistens sind sie es genau deshalb nicht. Niemand muss einen Apfel als gesund bewerben, einen Schokorieg­el schon.

Eine ausführlic­he Multimedia­Version des Artikels finden Sie auf kurier.at.

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Grafik: Tichy / Foto: iStock

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