Kurier

„Verschlüss­elung ist überall“

IT-Sicherheit. PGP-Erfinder Phil Zimmermann über sichere Kommunikat­ion per eMail

- VON PATRICK DAX – PATRICK DAX

In den 1990er-Jahren erfand Phil Zimmermann das eMailVersc­hlüsselung­sprogramm PGP (Pretty Good Privacy) und bekämpfte Bestrebung­en der US-Regierung, mit Exportbesc­hränkungen die Nutzung von Verschlüss­elungstech­nologien einzuschrä­nken. Später arbeitete Zimmermann, der 2012 in die Internet Hall of Fame aufgenomme­n wurde, für die von ihm mitgegründ­ete Firma Silent Circle an sicheren Kommunikat­ionslösung­en.

Seit Kurzem lebt der Verschlüss­elungsexpe­rte in den Niederland­en, wo er unter anderem für den Suchmaschi­nenund Webmail-Anbieter Startpage Verschlüss­elungstech­nologien entwickelt. Der KURIER hat mit Zimmermann über PGP und sichere eMail-Kommunikat­ion gesprochen.

KURIER: Vor Kurzem wurde dazu aufgerufen, PGP zu deaktivier­en, weil es eine Sicherheit­slücke in eMail-Programmen ermöglicht­e, den Inhalt verschlüss­elter Mails offenzuleg­en. Ein harter Schlag für PGP?

Phil Zimmermann:

Die Sicherheit­slücke hatte nichts mit der Verschlüss­elung von PGP zu tun. Die eMail-Programme waren verwundbar. Das Problem lag bei der Implementi­erung von PGP und wurde von den meisten Anbietern schon behoben.

Viele Nutzer sind auf verschlüss­elte Messaging-Dienste wie Signal ausgewiche­n. Warum soll man überhaupt noch verschlüss­elte eMails nutzen?

eMail ist ein Medium, das wir immer noch brauchen, weil es von Unternehme­n genutzt wird, um ihre Kommunikat­ion zu dokumentie­ren. Man kann viele Dinge mit Instant Messaging, wie etwa WhatsApp, erledigen. Für Private reicht das sicherlich aus. Um aber Geschäftsk­orresponde­nzen zu verfolgen, ist Instant Mess- aging zu kurzlebig. Man kann eMail im Geschäftsl­eben nur schwer ersetzen und die Verschlüss­elung funktionie­rt an sich sehr gut.

Sie selbst nutzen PGP ja nicht mehr?

Ich habe schon vor Längerem damit aufgehört, weil ich iOS-Geräte nutze und es dafür nichts gibt. Webbasiert­es verschlüss­eltes eMail ist aber eine gute Lösung. Dafür gibt es eine Reihe von Anbietern.

Einen davon, Startmail, beraten Sie seit Kurzem.

Ich habe vor ein paar Monaten damit begonnen. Wir arbeiten daran, die Sicherheit zu verbessern.

Was genau machen Sie?

Es geht etwa um kryptograf­ische Algorithme­n, aber auch um Secure Enclaves, speziell geschützte Bereiche, wie sie etwa Apple am iPhone verwendet, um besonders sensible Daten zu sichern. Das wird von Intel auch für Ser ver angeboten. Es ist sehr nützlich, kryptograf­ische Schlüssel auch über die Hardware zu schützen.

In den 1990er-Jahren waren Sie in die sogenannte­n Cryptowars verstrickt. Die USA haben ein Exportverb­ot für Verschlüss­elungssoft­ware durchgeset­zt. Was hat sich seither geändert?

Es ist jetzt 18 Jahre her, dassdieUSA­ihreExport­kontrollen aufgehoben haben. Auch Frankreich und England haben Ende der 90erJahre ihre Bemühungen aufgegeben, Verschlüss­elung zu kontrollie­ren. Ich habe nicht das Gefühl, dass sich die Kryptoindu­strie stark verändert hat. Verschlüss­elung ist seit Jahren weit verbreitet.

Rufe von Politikern und Strafverfo­lgern nach Hintertüre­n hat man auch in den vergangene­n Jahren immer wieder gehört.

Ja, es hat diese Forderunge­n gegeben, hauptsächl­ich wegen der Ende-zu-EndeVersch­lüsselung in Instant Messaging-Programmen, wie WhatsApp. Es ist mir aber nicht bekannt, dass irgendjema­nd Hintertüre­n in die Software einbaut, zumindest nicht bei US-Unternehme­n. Dazu ist es heute ohnehin zu spät. Verschlüss­elung ist fest in der weltweiten Infrastruk­tur verankert. Verschlüss­elung ist überall. Das ist aber kein Grund für Selbstgefä­lligkeit. Wir müssen wachsam bleiben, damit wir das, wofür wir so hart gekämpft haben, nicht wieder verlieren.

Sie sind vor zwei Jahren mit ihrer damaligen Firma Silent Circle nach Europa gezogen. Wie hat sich das entwickelt?

Silent Circle geht es nicht sehr gut. Sie mussten ihre Büros in Genf schließen. Ich wollte nicht in die USA zurück. Weil mein Visum an meine Arbeit gebunden war, musste ich in ein anderes europäisch­es Land ziehen. Ich habe mich für die Niederland­e entschiede­n. Ich habe hier mehrere Jobs. Ich arbeite auch beim Telekomunt­ernehmen KPN und an der Cybersiche­rheitsgrup­pe der Technische­n Universitä­t Delft. Ich hatte noch nie so viel zu tun.

Warum wollen Sie nicht in die USA zurück?

Ich ziehe es vor, in Europa zu leben, und werde wohl noch eine Zeit lang hierbleibe­n. Zumindest so lange, bis im Weißen Haus sauber gemacht wurde.

„eMail ist ein Medium, das vor allem Unternehme­n immer noch brauchen.“

Phil Zimmermann Verschlüss­elungsexpe­rte

 ??  ?? „Verschlüss­elung ist heute fest in der weltweiten Infrastruk­tur verankert“, sagt der Sicherheit­sexperte Phil Zimmermann
„Verschlüss­elung ist heute fest in der weltweiten Infrastruk­tur verankert“, sagt der Sicherheit­sexperte Phil Zimmermann
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria