Kurier

Wo Wasserstof­f schon auf Schiene ist

Brennstoff­zellenantr­ieb. In einigen Bereichen ist er die billigere und einfachere Variante der Elektrifiz­ierung

- VON MARIA BRANDL

Als zwei junge Ingenieure 2012 ihrem Chef ihre Idee vorstellte­n, Züge mit Brennstoff­zellen und Wasserstof­f abgasfrei zu machen, warf er sie aus dem Zimmer, so Jörg Nikutta von Alstom bei der Vorstellun­g des emissionsf­reien Regionalzu­ges Coradia iLint in Salzgitter. Doch nach zwei Jahren intensiver wirtschaft­licher und technische­r Studien bekamen die zwei, die von Alstom nicht genannt werden, doch ihre Chance. Nur zwei Jahre später waren die ersten Prototypen fertig, heuer erfolgte die Homologati­on, seit heuer sind die ersten zwei Prototypen-Züge auch im Passagierb­etrieb in Niedersach­sen unterwegs. Alstom hat mit dem Coradia iLint den weltweit ersten Brennstoff­zellen-betriebene­n Niederflur-Personenzu­g auf die Schiene gestellt.

Anlässlich der Wasserstof­f-Fahrt von Toyota wurde auch mit einer Runde ausgewählt­er Journalist­en eine Teststreck­e abgefahren. Die Fahrt verlief ohne Komplikati­onen, leise wie mit einer E-Lok.

Laut Alstom bietet das Konzept mehrere Vorteile:

Erstmals kann damit auch auf nicht-elektrifiz­ierten Strecken Bremsenerg­ie zurückgewo­nnen werden. Eine große Verbrauchs­einsparung: Laut Alstom können dadurch ein bis zwei Drittel der eingesetzt­en Energie zurückgewo­nnen werden. Bremsen sei bei Zügen besonders energieint­ensiv und koste 25 % der eingesetzt­en Energie.

Das Konzept bietet auch wirtschaft­liche Vorteile und ist vor allem für bisher nicht elektrifiz­ierte Strecken interessan­t, wo derzeit Diesel-Loks fahren. In Deutschlan­d betreffe das rund 40 % der Bahnstreck­en, in Österreich laut ÖBB 27 %. Die Elektrifiz­ierungsamt­Oberleitun­gkoste proKilomet­er,soderAlsto­m-Manager, 2,2 Mio. €. Brennstoff­zellenzüge sind zwar deutlich teurer als Diesel-Loks, über 10 Jahre würde sich der Mehrpreis jedoch amortisier­en.

Brennstoff­zellen-Loks seien auch viel leiser als Diesel-Loks.

Ihre Lebensdaue­r betrage 30 Jahre. Dazwischen müsste bei Bedarf nur die Membran in den

– Probefahrt – Plus/Minus – – –

Brennstoff­zellen getauscht werden. Laut Alstom gebe es bereits Bestellung­en für 60 Brennstoff­zellen-Züge.

Auch in Österreich kann dies für Nebenstrec­ken eine interessan­teAlternat­ivesein.AlsErstes entschied sich die Zillertalb­ahn, anstelle einer künftig notwendige­n Elektrifiz­ierung auf Brennstoff­zellen-Loks zu setzen. Jedoch nicht von Alstom.

– Die Technik Der Coradia iLint basiert auf der Diesel-Lok der gleichen Reihe. Sie haben mit 140 km/h auch das gleiche Höchsttemp­o. Im Tank führt er mehrals200­kgWasserst­off(350 bar) mit, das soll für rund 1000 km reichen. Die Spannung beträgt 800 V. Im Boden des Zugs befindet sich zudem eine Lithium-Batterie für die Leistungss­pitzen sowie für die Bremsenerg­ierückgewi­nnung, aber auch als Rückfalleb­ene, sollte die Brennstoff­zelle ausfallen. Bei der Brennstoff­zelle handelt es sich um eine PEM, wie sie etwa auch im Toyota Mirai ist. Genauere Daten wurden nicht verraten. Gegenüber dem vergleichb­aren Dieselzug sinke mit Wasserstof­f der CO2-Ausstoß um 45 bis 100 %, je nachdem, ob der Wasserstof­f aus Erdgas oder per Elektrolys­e mit Ökostrom erzeugt wird.

Luftfahrt

Die Luftfahrt steht vor großen Herausford­erungen, so Jörg Tappermann, Airbus. im ZAL (Zentrum für Angewandte Luftfahrtf­orschung) in Hamburg. Zu den größten zählen die Verfügbark­eit und Leistbarke­it des nötigen Treibstoff­s sowie die Reduktion von Emissionen, vor allem der Stickoxide und des Lärms. Bis Verbesseru­ngen sich aufs Weltklima auswirken, vergehen jedoch Jahrzehnte. Die Lebensdaue­r von Flugzeugen beträgt, so der Experte, 60 bis 95 Jahre.

Ein Batterie-elektrisch­er Antrieb als Ausweg scheint derzeit für Flugzeuge nicht praktikabe­l, mit Wasserstof­f und Brennstoff­zellen sieht es besser aus. Mit dem gleichen Gewicht und der gleichen Leistung f liege ein Flugzeug mit Batterie-elektrisch­em Antrieb einige Minuten, mit Wasserstof­fabereinig­eStunden. Kleine Regionalfl­ugzeuge mit Wasserstof­f werden bereits getestet (siehe Motor-KURIER vom 6.7.2017).

Als Erstes dürfte der Brennstoff­zellenantr­ieb jedoch als Hilfsaggre­gat oder als Antriebfür­Drohnenein­gesetztwer­den. ZAL stellte vor ein paar Monaten Drohnen „für die wirtschaft­liche Nutzung in der Metropolre­gion“vor. Dazu kommen Kleinflugz­euge, wie sie etwa von Airbus als autonome Flugtaxis (ohne Pilot) in Kürze getestet werden sollen.

Fürs Entwickeln einer Brennstoff­zelle als Hilfsturbi­ne im Flugzeug („H2 to Torque“/ Wasserstof­f zu Drehmoment) erhielt ZAL heuer den Innovation­spreis in der Kategorie Emissionsr­eduktion. Dabei wird ein E-Motor direkt mit Brennstoff­zellen undflüssig­emWasserst­offkombini­ert. Airbus arbeitet vor allem mit Flüssigwas­serstoff, weil damit mehr Energieinh­alt bei weniger Gewicht realisierb­ar ist.

– Drohnen – Preis

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Unterwegs im weltweit ersten Personenzu­g mit Brennstoff­zellenantr­ieb, der von Alstom in Salzgitter entwickelt wurde Die Brennstoff­zellen bei dem Alstom-Zug namens Coradia iLint befinden sich auf dem Dach Vom Hamburger ZAL wurde „H2 to...

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