Rollenbilder, die Schule machen
Warum der Erlass „Erziehung zur Gleichstellung“jetzt gestrichen wurde
„Die Gleichstellung von Mann und Frau ist in der Schule und im Bewusstsein der Lehrer sehr wichtig.“Elisabeth Gehrer Ex-Bildungsministerin
In den Klassenzimmern wird mehr vermittelt als Mathematik, Deutsch oder Physik. DieSchülersollenschließlich fürs Leben lernen: Politische Bildung, Sexualaufklärung oder die Gleichstellung von Mann und Frau soll ihnen nahegebracht werden – und das fächerübergreifend. Als Unterrichtsprinzip bezeichnet man Inhalte, für die es kein eigenes Fach gibt (Kasten unten). Nicht nur Pädagogen sind jetzt empört, dass ausgerechnet der Erlass zum Unterrichtsprinzip „Gleichstellung von Frauen und Männern“ausgesetzt wurde – er stammte noch von Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP). Geflogen ist dieser im Zuge der Entrümpelung der Schulverwaltung, beiderbisher 200 „obsolete und redundante“Rundschreiben und Erlässe aufgehoben wurden. Neos-Frauensprecherin Claudia Gamon: „Die Regierung beschließt zwar populistische Maßnahmen wie das Kopftuchverbot unter dem Deckmantel der Gleichstellungspolitik, istabergleichzeitignichtbereit, diese in der Schule zu thematisieren.“Für die ehemalige Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) ist dies ein weiterer Mosaikstein „einer grundsätzlich rückschrittlichen bildungspolitischen und frauenpolitischen Agenda dieser Regierung. Warum streicht man dieses Unterrichtsprinzip ersatzlos? Man hätte ja ohne Probleme abwarten können, bis ein neuer Grundsatzerlass fertig ist – so etwas dauert erfahrungsgemäß einige Zeit.“Im Bildungsministerium versteht man die Aufregung nicht: „Das Unterrichtsprinzipbleibtweiterhinbestehen. Wir sind gerade dabei, einen neuen Erlass zu erarbeiten, der spätestens im neuen Schuljahr in Kraft tritt“, will man im Büro von Heinz Faßmann beruhigen.
Mehr als nur ein Gesetz
Elisabeth Gehrer, die sich in den 90er-Jahren für dieses Unterrichtsprinzip stark gemacht hat, hält es prinzipiell für gut, dass in der Schulverwaltung ausgemistet wird und Gesetzbücher entschlacktwerden. Zumaktuellen Fall möchte sie nichts sagen – „da kenn’ ich mich zu wenig aus“– nur so viel: „Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist wichtig. In der Schule genauso wie in der Politik, wo ich übrigens für eine Quotenregelung bin. AuchinderLehrerausbildung muss das Thema ins Bewusstsein kommen.“Viel wichtiger als das Gesetzselbstseinämlich, dasses auch gelebt wird. Davon ist Maria Ettl, Direktorin der Hertha Firnberg Schulen in Wien, überzeugt. Sie hat an ihren Standorten dafür gesorgt, dass Gender Mainstreaming – so der neudeutsche Begriff für die Gleichstellung – gelebt wird. Wie sie das anstellt? „Das fängt damit an, dass ich bei der Einstellung von neuen Lehrkräften darauf achte, ob sie für das Thema sensibel sind“, sagt Ettl, deren Tourismusschulen einen Staatspreis für gendergerechte Schule erhalten haben. Früher wurden ihre Standorte belächelnd als „Knödelakademie“bezeichnet, weshalb es noch immer Eltern gebe, die glauben, ihre Töchter seien hier besser aufgehoben, weil die Naturwissenschaften keinen großen Stellenwert haben. „Da dachte ich mir, wenn Schülerinnen nicht zur Technik gehen, bringe ich die Technik zu ihnen. Seit sieben Jahren haben wir eine KooperationmitderFachhochschule Technikum Wien.“Mit Erfolg:„Wirhabenjetzteinennaturwissenschaftlichen Zweig – und die Hälfte der dortigen Schüler sind weiblich.“Doch Erziehung zur Gleichstellung ist noch mehr: „Unsere Schüler beschäftigen sich in der 2. und 3. Klasse regelmäßig mit Themen wie der Lohnschere oder stereotypenFrauenundMännerberufen“, berichtet die Direktorin. „Am Ende präsentieren sie ihreProjekteinderSchuleund werden prämiert.“Braucht es für all das Gesetze? „Nicht unbedingt. Aber sie helfen – etwa, wenn man Lehrer dazu bringen will, die Gleichberechtigung auch umzusetzen.“