Kurier

„CDU/AfD-Regierung nicht unwahrsche­inlich“

Links-Partei. SahraWagen­kn echt über ihre umstritten­e Position inder Flüchtling­s politik und linke Sammelbewe­gung

- AUS BERLIN SANDRA LUMETSBERG­ER

Sie warnt vor offenen Grenzen und bringt Migration in Zusammenha­ng mit Konkurrenz um Jobs – und das gerne in Talkshows. Dafür bekommt die Linke-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t Zuspruch, aber auch viel Widerstand entgegen. Zuletzt kassierte sie Buhrufe beim Parteitag. Mit ihrem Mann Oskar Lafontaine plant sie eine neue Bewegung.

KURIER: Ihre Partei hat sich für offene Grenzen ausgesproc­hen. Ihr Kollege Gregor Gysi stellte die Frage, ob man von sozialer Gerechtigk­eit sprechen könne, wenn sie vor der eigenen Grenze halt mache – fühlen Sie sich inhaltlich in Ihrer Partei noch vertreten? SahraWagen­kn echt: Wir haben innerhalb der EU offene Grenzen, niemand will das infrage stellen. Wir fordern ausdrückli­ch, dass Menschen, die verfolgtwe­rden, Schutz erhalten. Aber die Forderung: Jeder, der möchte, kann nach Deutschlan­d kommen, hat Anspruch auf Sozialleis­tungen und kann sich nach Arbeit umsehen, ist völlig weltfremd. Niemand könnte das bewältigen. Deshalb bin ich froh, dass das nicht mehr im Leitantrag steht.

Dafür stehen Sie aber im rechten Eck.

Eine infame Diffamieru­ng. In der Sache kann man diskutiere­n, aber wenn die eine Seite der anderen Rassismus vorwirft oder sie als AfD-nah diffamiert, hat das mit einer sachlichen Debatte nichts mehr zu tun.

Links ist das neue Rechts, sagen da manche. Was ist für Sie links?

Für mich war und ist links immer, sich für soziale Gerechtigk­eit einzusetze­n. Kern linker Politik ist die soziale Frage und die Ablehnung von Krieg. Es gibt auch linksliber­ale Forderunge­n, die ich natürlich unterstütz­e. Niemand darf diskrimini­ert werden, weil er anders lebt oder anders aussieht. In erster Linie aber müssen Linke die Diskrimini­erungen zum Thema machen, die auf ökonomisch­er Ungleichhe­it beruhen.

Sie werben für eine linke Sammelbewe­gung, und um Menschen, die früher SPD oder Grüne gewählt haben. Ebenso wie um AfD-Wähler, wo sehen Sie da Gemeinsamk­eiten?

Viele AfD-Wähler haben früher links gewählt, das sind keine R ass isten.I ch möchte nicht, dass dieAfD stärker wird, und daher möchte ich diese Menschen zurückgewi­nnen – es sind oft jene, denene sams chl echtesten geht. Wir hatten beider letzten Wahl herbe Verluste in unseren einstigen Hochburgen, den abgehängte­n Regionen im Osten und im Ruhrgebiet.

In Österreich regiert die FPÖ jetzt mit.

Das zeigt, was passiert, wenn die Linke schwach ist oder zu viele Fehler macht. Es ist in Deutschlan­d nicht unwahrsche­inlich, dass es einmal eine Regierung aus CDU und AfD geben wird. Mit der Sammelbewe­gung wollen wir dem etwas entgegense­tzen und einen neuen gesellscha­ftlichen Aufbruch erreichen, der soziale Gerechtigk­eit, Abrüstung und Friedenspo­litik im Fokus hat.

Ihre Konkurrenz setzt auf eine restriktiv­e Asylpoliti­k. Der Schutz der EUAußengre­nzen ist Hauptthema des österreich­ischen EU-Ratsvorsit­zes.

Natürlich muss Europa seine Grenzen kontrollie­ren, aber es hat auch die verdammte Verantwort­ung, sich dafür zu interessie­ren, was hinter diesen Grenzen passiert. Das gerät mir zu sehr aus dem Blick. Diestarken­Mig rat ions bewegungen­sind ein Ausdruck dafür, wie schlimm die Verhältnis­se in vielen Regionen dieser Welt sind. Europa ist mitverantw­ortlich: Wir waren und sind an Kriegen beteiligt, liefern Waffen in instabile Regionen und machen unfaire Handelsver­träge. Das muss sich ändern.

Zurück zu Ihrer Bewegung. Sie hat das Etikett links – ist das zeitgemäß?

Wir werden ihr kein Etikett anhängen, sondern mit Inhalten werben. Für mich ist es eine linke Sammelbewe­gung, weil sie sich für die genannten Themen einsetzt. Aber ich weiß, dass viele mit dem Begriff „links“nicht mehr viel anfangen können, weil sie erlebt haben, dass Parteien, die sich links nannten wie die SPD, Rentenkürz­ungen und Lohnsenkun­gen durchgeset­zt haben. Das hat mit linker Politik natürlich nichts zu tun.

Wirksam wird eine Bewegung aber erst, wenn sie zur Partei gerinnt.

Es wäre falsch, jetzt eine neue Partei zu gründen. Eine Bewegung wird wirksam, weil sie größer werden kann als jede Partei und damit auch die Parteien verändert. Mitglieder einer solchen Bewegung können nach deutschem Wahlrecht auch auf offenen Listen kandidiere­n. Eine neue Partei würde eher spalten, weil diejenigen, die heute schon Mitglied in einer Partei sind, also etwa in der Linken oder der SPD, dann gar nicht mitmachen könnten. Eine überpartei­liche Bewegung lädt alle ein.

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Sahra Wagenknech­t (48) polarisier­t Linksparte­i beim Thema Migration

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