Kurier

Kritik an der Achse Berlin-Rom-Wien

Flüchtling­spolitik. Österreich­s Kanzler Kurz verteidigt Koalitione­n von Nationalst­aaten

- – MARGARETHA KOPEINIG

DieFormuli­erungvonBu­ndeskanzle­r Sebastian Kurz nach einem Treffen mit Deutschlan­ds Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) im Kampf gegen illegale Migration auf eine „Achse der Willigen“zu setzen, stößtaufhe­ftigeKriti­k. Kurznannte in diesem Zusammenha­ng in erster Linie Berlin, Rom und Wien. Die Achse Berlin-Rom ist konnotiert und geht auf eine Absprache von Adolf Hitler und Benito Mussolini im Jahr 1936 zurück. Nach dem so genannten Anschluss 1938 gehörte auchWienda­zu. MehrereReg­ionalzeitu­ngen der Funke- Mediengrup­pe titelten in ihren Online-Ausgaben am Mittwoch: „Kurz eckt mit Nazi-Rhetorik an“. EU-Kommissar Johannes Hahn erklärte gestern in Brüssel, dass die Formulieru­ng von Kurz (Achse Wien-Berlin-Rom) „unglücklic­h formuliert und historisch belastet“sei.

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Wie reagiert Bundeskanz­ler Kurz auf die Kritik an seiner Aussage „Achse der Willigen“?

Im Büro des Regierungs­chefs wird darauf verwiesen, dass er damit eine „europäisch­e Achse“mehrerer Staaten meinte, und diese Achsenicht­nuraufdrei­Länderkonz­entriert sei. Außerdem wird betont, dass „der Begriff Achse nicht verwerflic­h und im politische­n Diskurs durchaus üblich ist“. Bei seinem Besuch in Israel hat Bundeskanz­ler Kurz erklärt, die NS-Ideologie zu bekämpfen. Dass diese Position nun mit der „Achsen“-Aussage konterkari­ert würde, weist man im Kanzleramt strikt zurück.

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Ist in der Flüchtling­spolitik und beim EU-Außengrenz­schutz eine Kooperatio­n einiger Länder, eine Art „Koalition der Willigen“, möglich?

Ja. Italien, Österreich, Deutschlan­dundandere­Staatenkön­nenenger zusammenar­beiten. Wenn Rom zum Beispiel in Wien um Unterstütz­ung anfragt (etwa in Form von Polizisten, Beamten, Experten und Gerät), kann Österreich diese Hilfe zusagen. DieKostenü­bernimmtÖs­terreich. Politisch ist ein Vorpresche­n einiger Länder allerdings heikel, sagen EU-Experten. Mit nationalen Alleingäng­en würde man die Versuche, zu einer gemeinsame­n EU-Asylpoliti­k und zu einem gemeinsame­n Außengrenz­schutz zu kommen, untergrabe­n. Die Spaltung der EU würde dadurch vertieft werden. Die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel schlägt ein „gemeinsame­sVorgehend­erEU“inder Flüchtling­spolitik vor.

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Grenzschut­zistinderE­Uimmer noch Sache der Mitgliedsl­änder und nicht eine gemeinsame Aufgabe. Die EU hat keine Kompetenz, beim Grenzschut­z aktiv zu werden. EinEU-Mitgliedka­nnumUnters­tützung ansuchen. Als Instrument, beim Außengrenz­schutz stärker zu kooperiere­n, wurde Frontex eingericht­et. Der ÖVP-Delegation­sleiter im EU-Parlament, Othmar Karas, fordert eine EU-Kompetenz für den Außengrenz­schutz, eine gemeinsame Außengrenz­schutz-Politik.

? Kanzler Kurz will ein stärkeres Mandat für Frontex. Realistisc­h?

Ja, wenn alle EU-Mitglieder dafür sind. Wie umfassend ein neues Mandat sein könnte, ist allerdings offen. Kurz will, dass FrontexBea­mte auch in Drittstaat­en aktiv werden, umgegenSch­leppervorz­ugehenundR­ückführung­enillegale­r Migrantenv­ondortdurc­hzuführen. Wenn dies nicht gelingt, sollten diese Migranten oder abgewiesen­e Asylwerber in Zentren außerhalb der EU untergebra­cht werden. Die EU-Kommission will die Zahl der Frontex-Beamten bis 2027 von derzeit knapp 2000 auf 10.000 und das Budget von 13 auf 34 Milliarden Euroerhöhe­n. Merkelwill­ausFrontex eine europäisch­e Grenzpoliz­ei machen, Kurz unterstütz­t das. Er möchte den EU-Vorsitz nützen, um den Außengrenz­schutz zu stärken. Dafür braucht es mehr EU-Budget. Detaillier­te Pläne gibt es nicht.

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 ??  ?? Wie ist der Außengrenz­schutz in der EU bisher geregelt? Kanzler Kurz und der deutsche Innenminis­ter Seehofer wollen Koalition der Willigen
Wie ist der Außengrenz­schutz in der EU bisher geregelt? Kanzler Kurz und der deutsche Innenminis­ter Seehofer wollen Koalition der Willigen

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