Kurier

„Die Kinder fragen jeden Tag nach Papa“

Witwe spricht. Nahed Alaskar sucht verzweifel­t nach einer Antwort zum Tod ihres Mannes

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Esistder25. August2015, als Nahed Alaskar das letzte Mal eine Lebenszeic­hen ihres Ehemannes Hasan erhält. Wenige Stunden bevor der 34-jährige syrische Professor für Arabistik gemeinsam mit 70 weiteren Personen beiMórahal­om–na he der serbisch ungarische­n Grenze–in den Kühl-Lkw steigt, ruft er seine Frau an. „Er sagte, er hat ein ungutes Gefühl und er habe Angst“, erinnert sich Nahed Alaskar im KURIER-Gespräch. Am nächsten Tag sind Hasan sowie alle anderen 70 Flüchtling­e tot. „Mein Sohn und meine Tochter fragen seither jeden Tag, was mit ihrem Papa passiert ist“, erzählt die Witwe. Doch eine Antworten darauf habe sie selber nicht. Den Prozess im ungarische­n Kecskemét, bei dem sich die Schlepper verantwort­en müssen, hat Nahed Alaskar von Beginn an mitverfolg­t.

„Habe solche Wut“

Das Video, auf dem der Erstangekl­agte Samsoor L. zu sehen ist, wie er am ersten Prozesstag grinsend den Gerichtssa­al betritt, schaut sie sich immer wieder an. Und schüttelt den Kopf, als könne sie es noch immer nicht fassen. „Ich habe eine solche Wut auf diese Männer.“Mit Samsoor L. habe sie bereits mehrmals telefonier­t, nachdem sie ihren Mann nicht mehr erreichen konnte. „Ich habe ihn zwei Mal angerufen. Erst sagte er, mein Mann sei in Deutschlan­d. Dann erklärte er mir, dass mein Mann nichts mehr mit mir zu tun haben wolle.“Erst 15 Tage nach der schrecklic­hen Tragödie ahnt Nahed Alaskar, was passiert sei. Zuhause, in der Nähe von Damaskus, erhält sie schließ- lich eine Nachricht und das FotoeinesT­oten. Daweißsie, er ist es. Weil die Leiche nicht nach Syrien überstellt werden kann, machte sich die ausgebilde­te Apothekeri­n mit ihren beiden Kindern, fünf und neun Jahre alt, auf den Weg nach Österreich. Zur Urteilsver­kündung in Ungarn konnte Nahed Alaskar aus Wien nicht anreisen. Sie hofft dennoch, Antworten auf ihre quälenden Fragen zu bekommen. Und sie wünschte sich, dass jene, die für den Tod ihres Mannes verantwort­lich sind, bestraft werden. Auf eine Entschuldi­gung habe sie bisher vergeblich gewartet. In Syrien hätten sie bis zum Kriege in gutes Leben gehabt, hatten Arbeit, eine Wohnung. „Jetzt habe ich allesverlo­ren“, sagt die33-Jährige. Halt geben ihr die beiden Kinder, denen sie eine gute Ausbildung ermögliche­n will. In Wien wolle sie bleiben – in der Nähe ihres Mannes, der hier begraben ist. Wie ihr Papa gestorben ist, das will Nahed Alaskar ihren Kindern nicht sagen. „Ich bringe es einfach nicht übers Herz, ihnen die Wahrheit zu erzählen.“

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Nahed Alaskar betrachtet das Foto ihres Mannes. Er war einer der Flüchtling­e, die in dem Lkw starben

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