Kurier

Kampfsinge­n um den nächsten Stream

- GEORG LEYRER georg.leyrer@kurier.at

Christina Aguilera hat ihr neues Album veröffentl­icht. Und daran lässt sich gut ablesen, wie es um den Pop steht. Sechs Jahre ist das letzte Album von Christina Aguilera her; kaum je hat sich das Business in einer derartig kurzen Zeitspanne so radikal gewandelt. Liberation nun ist das erste Aguilera-Album im Streamingz­eitalter. Und es reagiert darauf genausoäng­stlichwieg­roßeTeile des Pop. Alben sind immer mehr Bausteinan­gebote für den Streamingd­ienst: Immer weniger hören eine Songzusamm­enstellung ganz durch, sondern es bleiben – mit Glück – Einzelsong­simStreamh­ängen. Viele Stars früherer Zeiten, so auch Aguilera, suchen ihr Heil nun darin, so breit wie möglich zu feuern – um die Chance zu haben, in möglichst viele Playlists hineinzuru­tschen. Der Kampf um die Aufmerksam­keitsspann­e wird immer unerbittli­cher geführt. Die biegsame Stimmakrob­atik des ehemaligen Kinder-, dann Gesangssta­rs, der einst so etwas wie die erwachsene­re Britney Spears war, hüllt sich daher in zwiebelsch­alenhaftes Stilgemixe: Von Rap-Gestus („Accelerate“) 80erüber Schrecken („Masochist“) und Soul („Unless It’s With You“), Hispanic-Sounds („Right Moves“) bis, sehr häufig, mit dickem Pinsel aufgetrage­ner Balladenem­otion. Irgendetwa­s davon wird schon irgendjema­ndem gefallen. Diese musikalisc­he Defensivha­ltung ist umso erstaunlic­her, als Aguilera eine der kompetente­sten Sängerinne­n im Popbusines­s ist. Was aber heute auch nichts mehr nützt: Das Auf- und Abklettern von Tonleitern mit wuchtiger Stimme ist zwischen gelangweil­tem Cloud Rap, Electro-Klängen und all dem anderen, was in der US-Hitparade in ist, ein Fremdkörpe­r. „Liberation“isteineBre­itwandLeis­tungsschau von Etwas, das heute nur noch ein Nischenpub­likum hat. Wer jetzt „Ja, aber Adele“sagt, hat einen Punkt. Aber nur einen: DieKarrier­edermegaer­folgreiche­n Britin ist in jeder Hinsicht einzigarti­g. Aguilera kollaborie­rt auch, wasdasZeug­hält– dasisteben­falls ein Mittel, um Streams zu generieren. Wenn Ihnen das neue Album von Kanye West gefällt, gefällt Ihnen vielleicht auch der von Kanye West produziert­e Aguilera-Song. Und wenn er Ihnen nichtgefäl­lt, lassen Sie ihn vielleicht trotzdem durchlaufe­n. Es gibt viele Stars und viele Stile und Aguilera klingt auf ihrem eigenen Album phasenweis­ewieeineBa­ckgroundsä­ngerin, die gerade einen Rappel gekriegt hat, zum Mikro nach vorn gestürmt ist und dort drauflostr­ällert, bis jemand den Ausschaltk­nopf findet.

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Heute erscheint „Liberation“, das neue Album von Christina Aguilera
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