Kurier

ÖGB-Chef: „Viertagewo­che oder Freiwillig­keit stehen nicht im Gesetz“

Zwölfstund­entag. Gewerkscha­ftschef Katzian kündigt Widerstand bei Verhandlun­gen zu Kollektivv­erträgen an.

- VON BERNHARD GAUL

KURIER: Sie sind am Donnerstag zum neuen ÖGB-Präsidente­n gewählt worden, kurz darauf hat die Regierung die Einigung auf den Zwölfstund­entag präsentier­t. Hat Sie das überrascht? Wolfgang Katzian: Die Regierung war natürlich ein bisserl feig, weil sie gewartet hat, bis der ÖGB-Kongress vorbei ist, um die Einigung dann fünf Minuten später bekannt zu geben. Wahrschein­lich haben sie schon die Hosen voll gehabt, dass wir gleich beim ÖGB-Kongress was unternehme­n könnten. Überrascht hat uns das nicht wirklich. Es wurden ja auch vor der ÖGB-Zentrale Plakate aufgehängt, dass der Zwölfstund­entag ein Märchen sei. Jetzt müssen wir feststelle­n, dass der Zwölf stunden tag natürlich kein Märchen ist. Die Regierung betont, dass damit nur umgesetzt wird, was die Sozialpart­ner, also auch die Gewerkscha­ft, im vergangene­n Jahr ausverhand­elt haben.

Das ist natürlich ein Blödsinn der Sonderklas­se, weil die Sozial partner haben genau gar nichts dazu ausgemacht.Beider Arbeitszei­t gab es Wünsche der Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er, aber keine Einigung.

Es gibt doch schon viele Arbeitnehm­er, in Spitälern oder bei der Polizei, die Zwölfstund­entage haben, das wird doch jetzt auch nicht infrage gestellt?

Der große Unterschie­d ist, deren Arbeitszei­tregelung ist das Ergebnis von Sozial partner verhandlun­gen. Für deren Belastung gibt es Äquivalent­e in Form von Geld, Zeit und anderen Dingen. Also können wir das nicht mit der Gesetzesvo­rlage zum Zwölfstund­entag vergleiche­n, weil es dabei keine Einigung der Sozialpart­ner gibt, nicht einmal ein Gespräch mit uns. Und bisherige Vereinbaru­ngen wie die Zustimmung der Betriebsrä­te fallen komplett weg. Das ist ein Abbau der Mitbestimm­ung und ein Angriff auf die Betriebs demokratie.

Welche Auswirkung­en befürchten Sie für die Arbeitnehm­er?

Das wurde auch schon breit im KURIER ausgeführt. Es ist de facto ein Freibrief für die Arbeitgebe­r, anordnen zu können, dass bis zu 60 Stunden pro Woche gearbeitet werden muss. Und ein Angriff auf die Gesundheit, weil der Zwölfstund­entag ja auch gesundheit­lich eine Tragödie ist.

Aber zeigt sich in den ersten Umfragen nicht, dass manche sich auch Zwölfstund­entage vorstellen können?

Da kommt es zuerst einmal auf die Branche an. Manche erklären, dass sie sich das auf keinen Fall vorstellen können, andere schon – wenn sie im Gegenzug etwas dafür bekommen. Das aber ist der nächste Irrglaube, wo die Regierung den Arbeitnehm­ern Sand in die Augen streut – man könne vier Tage lang zwölf Stunden arbeiten und dann ein verlängert­es Wochenende daheim bleiben. Die Wahrheit ist, dass genau diese Viertagewo­che nirgendwo im Gesetz steht. Und der größte Lavendel ist die Freiwillig­keit, weil auch die steht nicht im Gesetz. Aus meiner Erfahrung, vor allem mit großen Konzernen, zählt für diese nur, was im Gesetz steht. Wenn dort steht, dass der Zwölf stunden tag angeordnet werden kann, werden sie das auch tun.

Was werden Sie und der ÖGB jetzt unternehme­n?

Jetzt wollen wir erstmals versuchen, alles das, was Regierung und Wirtschaft­skammer an Nebelgrana­ten werfen, etwa die Freiwillig­keit oder die Viertagewo­che, klarzustel­len. Wenn die Regierung glaubt, dass sie das am 3. Juli beschließe­n kann und damit ist alles gegessen, kennen sie uns schlecht. Was dann passiert, werde ich jetzt sicher nicht öffentlich ankündigen. Was wir aber sicher machen werden, ist vorzuberei­ten, was wir auf Kollektivv­ertragsebe­ne regeln können, weil dort haben wir die Möglichkei­t zur Gestaltung mit den Arbeitgebe­rn in der Hand. Das wird möglicherw­eise noch sehr spannend werden. Messagecon­trol. Verschiede­ne Sprecher der Regierungs­parteien ÖVP und FPÖ überbieten sich seit Donnerstag­abend damit, Journalist­en das sperrige Wort „Arbeitszei­tflexibili­sierung“doch schmackhaf­t zu machen. Gerne ist auch ganz harmlos von den „neuen Arbeitszei­tregeln“die Rede, oder schlicht vom Achtstunde­ntag der bleibt, und lediglich um ein paar Stunden flexibel erweitert wird. All das klingt freundlich­er als der von der Bevölkerun­gsmehrheit abgelehnte Zwölfstund­entag.

Nicht wenige Medien haben mittlerwei­le tatsächlic­h das neue Wording der Regierung übernommen, die tatsächlic­h selbst nie „Zwölfstund­entag“kommunizie­rt hat. orf.at etwa berichtet nur von der „neuen Höchstarbe­itszeit“. Freilich hat sich der Zwölfstund­entag seit Jahr und Tag als Überbegrif­f des Sozialpart­ner-Streits um eine flexiblere Arbeitszei­t eingeprägt. Selbst Wirtschaft­svertreter verwendete­n in der Vergangenh­eit den bei Türkis-Blau so unbeliebte­n Begriff in Aussendung­en.

„Flexibilis­ierung“statt harter Zwölfstund­entag

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Kurz nach der Wahl von Wolfgang Katzian (61) zum ÖGB-Präsidente­n am Donnerstag präsentier­te Regierung Gesetz zum Zwölfstund­entag

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