Kurier

So rüstet sich Grasser für den D-Day

Buwog-Prozess. Ab Dienstag sagt Karl-Heinz Grasser endlich vor Gericht aus. Das Urteil kommt erst im Herbst 2019

- VON IDA METZGER

Das Bild, das Karl-Heinz Grasser seit 40 Tagen abgibt, erinnert weniger an einen Angeklagte­n, sondern eher an einen emsigen Musterschü­ler. Stets perfekt gestylt erscheint er: Anzug, weißes oder blaues Hemd, Manschette­nknöpfe, immer dabei eine prall gefüllte Aktentasch­e.

Jeden der 40 Verhandlun­gstage startet er mit dem exakt gleichen Ritual: Der 48Jährige packt einen dicken Aktenordne­r aus, legt mehrere Stifte sorgfältig in einer Linie auf. Daneben stellt er ein stilles Mineralwas­ser und eine Dose Red Bull.

Seine Körperhalt­ung? KHGs Kopf ist meistens gesenkt, er zeigt keinerlei Emotionen, während sein Freund Walter Meischberg­er die Liechtenst­einer Millionenk­onten erklärt oder warum er vor den Ermittlern „taktisch aussagte“.

Der Ex-Minister betreibt intensives Aktenstudi­um, geht die Aussagepro­tokolle der Hauptverha­ndlung und die 600 Seiten starke Verteidigu­ngsrede seines Anwaltes durch. Mal unterstrei­cht er Passagen mit Leuchtstif­ten in unterschie­dlichen Farben, mal macht er sich akribisch Notizen. Detto in unterschie­dlichen Farben. Er scheint ein Farbsystem für seine „Gedankensp­litter“, wie es sein Anwalt nennt, entwickelt zu haben. Gelegentli­ch wird das Zusammenfü­gen dieser Gedankensp­litter durch das Eincremen seiner Hände in den Verhandlun­gspausen unterbroch­en.

„Buch? Noch nicht“

Selbst Richterin Marion Hohenecker ist Grassers Verhaltens­muster aufgefalle­n. Als sie Meischberg­er über sein Tagebuch (siehe beste TagebuchPa­ssagen unten) im Zeugenstan­d ausquetsch­t, nutzt sie die Gelegenhei­t, um mal nachzufrag­en, was der ExMinister denn da so intensiv tue? Meischberg­er erklärt Hohenecker, dass er seinen Ärger Ausdruck verliehen habe, indem er das Tagebuch geschriebe­n habe.

„Und Grasser?“, fragt die Richterin. Er kenne dessen Buch nicht, kontert Meischberg­er.

Die Worte sorgen für Bewegungbe­iGrasser,erstreckt die Arme in die Höhe und blickt ausnahmswe­ise auf. „Schreiben Sie gerade an einem Buch?“, fragt die Richterin grinsend. Grasser antwortet: „Noch nicht.“

Viel wahrschein­licher ist, dass er sich wohl auf seine Aussage vorbereite­t. Er will auf jedes Detail bei der Befragung vorbereite­t sein. Keine Unsicherhe­iten zeigen. Keine Widersprüc­he liefern. Es geht um viel. De facto um sein Leben.

In 48 Stunden, am Dienstag, ist es so weit. Grasser ist zwar Hauptangek­lagter, war aber bis jetzt nur Nebendarst­eller im Großen Schwurgeri­chtssaal. „Er ist froh, nach neun Jahren Ermittlung­en und 40 Verhandlun­gstagen seine Version der Dinge darlegen zu können“, sagt Ainedter.

Spezielle Vorbereitu­ngen am Wochenende oder am Montag, dem Tag vor dem vorläufige­n Höhepunkt des Monsterpro­zesses, gibt es mit Grasser Anwaltsduo Norbert Wess und Manfred Ainedter nicht mehr. „Karl-Heinz kennt die Wahrheit. Er hat sein Statement schon vorbereite­t“, so Ainedter. Mehrere Stunden soll die Erklärung dauern.

Vom Gericht ins Sacher

Ab 9.30 Uhr startet die Grasser-Show. Seine Mission lautet: Zweifel säen beim Schöffense­nat und die Anschuldig­ungen der Justiz entkräften. Der Vorwurf der Ankläger: Grasser habe Meischberg­er den entscheide­nden Hinweis gegeben, dass man mehr als 960 Millionen Euro bieten müsse, um die BUWOGWohnu­ngen zu bekommen. Für diesen Freundscha­ftsdienst soll Grasser 2,5 Millionen Euro auf das Liechtenst­einer Konto 400.815 überwiesen bekommen haben.

Gegen 16.30 Uhr wird Richterin Hohenecker Tag eins der Grasser-Aussage beenden. Danach kehrt der ExFinanzmi­nister vom Landesgeri­cht ins Hotel Sacher zurück. Im Nobelhotel soll Grasser, der keinen Wohnsitz mehr in Wien hat, während der Prozesstag­e wohnen. Im Fitnesscen­ter des Hotels wurde der sehr sportaffin­e KHG mehrfach beim Training entdeckt.

Warum residiert Grasser ausgerechn­et im Hotel Sacher? Das hat einen ganz simplen Grund. Sein Freund und ehemaliger Pressespre­cher Matthias Winkler hat die Tochter von Elisabeth Gürtler geheiratet und leitet nun die Nobelhotel­häuser der Familie. Hier im Traditions­haus oder vis-à-vis im Do&Co Albertina kann KHG inkognito die Abende verbringen, weil ihn die Touristen nicht erkennen. In seinem Freund Matthias Winkler findet der Kärntner auch einen vertrauens­vollen Gesprächsp­artner über den Prozess. Denn auch wenn Grasser vor Gericht im Vergleich zu seinem polternden Anwalt Ainedterfa­stemotions­loswirkt– so ist das eine Fassade für die Medien, berichten enge Freunde des Angeklagte­n. „Emotional nimmt ihn der Prozess schon mit“, so ein Freund.

Urteil erst Herbst 2019

Eines ist so gut wie fix: Grasser muss sich auf einen langen Aufenthalt im Sacher einstellen. Denn kaum einer im Gerichtssa­al rechnet noch damit, dass es in diesem Jahr noch ein Urteil gibt. „Ich gehe nicht vor Herbst 2019 von einem Urteil aus“, so auch die Einschätzu­ng von Ainedter.

Einige Indizien gibt es dafür. Nach 40 Prozesstag­en haben immer noch nicht alle Angeklagte­n ausgesagt. Ist dieser Marathon einmal abgeschlos­sen, wäre da noch die Zeugenflut: Allein die Staatsanwa­ltschaft will 166 Personen vor Gericht befragen. Die Liste dürfte von den Angeklagte­n noch ausgeweite­t werden.

Und Marion Hohenecker ist auch Richterin in einem weiteren Verfahren gegen Meischberg­er und Peter Hochegger. Die Beratungsg­esellschaf­t Valora des Ex-Lobbyisten soll „schwarze Kassen“gebildet und über diesen Weg Parteien beziehungs­weise denen nahestehen­de Institutio­nen finanziert haben. Neun Millionen Euro sind in den 2000er-Jahren über die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberg­er an ÖVP, SPÖ und FPÖ geflossen. Es geht um den Vorwurf der Untreue. Diesen Prozess will Hohenecker im Herbst verhandeln. Da gibt es dann eine Prozesspau­se für KHG. Ein Angeklagte­r scherzte unlängst: „Wir werden uns beim Altwerden zuschauen können.“

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Am 20. Juni ist ein entscheide­nder Tag im Leben des Ex-Polit-Stars Karl-Heinz Grasser. Er steht der Richterin erstmals Rede und Antwort
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Bei jeder Verhandlun­g ackert Karl-Heinz Grasser Akten durch
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Anwalt Manfred Ainedter ist seit neun Jahren an Grassers Seite
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