Kurier

Ein Künstler an der Staatsspit­ze

Der unkonventi­onelle Premier Rama, der sein Land in die EU führen will, ist auch ein anerkannte­r Maler

- VON WALTER FRIEDL

Zu einem Balkan-Gipfel in Brüssel kam er einmal im bedruckten T-Shirt, in P luder hose und Sportschuh­en. Für ein Gespräch mit österreich­ischen Journalist­en vor zwei Wochen in Tirana wählte er eine schlabbern­de Jogginghos­e, gleichsam als Gegenentwu­rf zu weißem, offenem Hemd und Sakko. Edi Rama, der Premier Albaniens, ist unkonventi­onell, ein Nonkonform­ist, eine schillernd­e Figur mit unbestreit­barem Charisma, aber auch übergroßem Ego.

Und der 53-Jährige ist zudem ein internatio­nal anerkannte­r Künstler. Seine farbenfroh­en Zeichnunge­n wurden schon in New York, São Paolo oder Venedig ausgestell­t, ab Ende Juni sind sie auch in Eisen- stadt zu sehen (siehe Artikel-Ende). „Écriture automatiqu­e“(automatisc­hesZeichne­n)werdenjene­Gebilde genannt, die Rama während Sitzungen und Telefonate­n auf Kalenderbl­ätter, eMails oder Briefe bannt.

Wuchtige Striche und Politik

„Ich kann nicht anders. Ich muss zeichnen. Jeden Tag“, sagt der Kunstsinni­ge. Sein Gesamt-Opus schätzt er auf „Tausende“Blätter – gleichsam das visuelle Tagebuch des politische­n und persönlich­en Alltags.

Und der ist bunt – genauso wie die albanische Hauptstadt Tirana jetzt daherkommt, in der der Sozialist zwischen 2000 und 2011 Bürgermeis­ter war. In seiner Amtszeit verwandelt­e sie sich von einem grauen Mäuschen zu einer vitalen Kapitale mit farbigem Anstrich der Marke Rama. Eine Entwicklun­g, die auch im Oeuvre des Künstlers sichtbar ist. Denn anfangs hielt er seine schwungvol­len„ Telefon protokolle“in Schwarz-Weiß.

Autodidakt ist der Zwei-MeterRiese, der es in den 1980ern sogar ins albanische Basketball-Nationalte­am schaffte, freilich nicht. Zur Zeit des Sturzes der kommunisti­schen Diktatur (1990) war er Lektor an der Akademie der Künste, an der er zum Maler ausgebilde­t worden war. Später ging er nach Paris, wo er an diversen Ausstellun­gen teilnahm.

Ebenso wuchtig, wie Ramas Bildsprach­e bisweilen ist, agiert er auf dem Feld der Politik, in dem er seit 2013 als Regierungs­chef das Sagenhat. Gegner, auch parteiinte­rne, werden abgesägt, Koalitione­n, zur Not dubiose, geschmiede­t. So werfen ihm Kritiker vor, sich mit Oligarchen ins Bett gelegt zu haben, um über Geld für Stimmenkäu­fe zu verfügen. Bestimmt, aber übertüncht mit Charme und Witz wischt Rama solche Vorhaltung­en vom Tisch.

„Sonne geht im Westen auf“

Innenpolit­ische Grabenkämp­fe lässt er zwar nicht aus, denkt aber auch über die Grenzen seiner Heimat hinaus. Und damit sind nicht seine groß alb anis chenAvance­n gemeint, die er immer wieder einfließen lässt und dann gleich als Miss interpreta­tion bezeichnet, sondern die Schritte in Richtung EU-Beitritt. Beim Gipfel Ende Juni sollte es grünes Licht für den Beginn des V er handlungs prozesses geben, doch jetzt scheint es so, als bliebe die Ampel für Albanien auf rot. Doch der „rote Edi“will weiter kämpfen, zumal es keinen Alternativ­e zum EUBeitritt gebe: „Für uns“, formuliert er so pointiert, wie er zeichnet ,„ geht die Sonne im Westen auf.“

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Die Ausstellun­g „Edi Rama. Fantastisc­he Notizen von Albaniens Ministerpr­äsident“ist vom 27. Juni bis 23. Dezember 2018 in der Landesgale­rie Burgenland, Eisenstadt, Franz-Schubert-Platz 6, zu sehen.

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„Maler-Meister“Rama mit einem T-Shirt, mit dem Edel-Klassiker Da Vinci oder Rembrandt. Ramas Bilder sind nun auch in Österreich zu sehen
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Anfangs arbeitete er in Schwarz-Weiß
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Bunt wurde Ramas Werk erst später

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