Kurier

Auch „von der Alm“ist ein Adelstitel

Verbot. Gericht schloss letztes Schlupfloc­h. Ein Betroffene­r ließ sich wieder in Deutschlan­d einbürgern

- VON MICHAELA REIBENWEIN KURIER-MONTAGE C.KARNER,ISTOCKPHOT­O

Der Gesetzgebe­r macht es dem Adel nicht leicht. Titel wie Graf oder Freiherr sollen verschwind­en. Auch das Wort „von“ist betroffen. Ein Schlupfloc­h gab es bis vor Kurzem aber noch: Bezieht sich das „von“auf eine Ortsbezeic­hnung, wurde es toleriert. Bisher galt: Im Zweifelsfa­ll für den Betroffene­n. Doch nun ist auch das Geschichte.

Den Stein ins Rollen brachte ein

Mann mit österreich­ischer und schweizeri­scher

Staatsange­hörigkeit. Er bekam im Vorjahr Post vom Grazer Bürgermeis­ter. Darin wurde ihm mitgeteilt, dass sein Familienna­me geändert wird. Konkret wird das „von“gestrichen. Es bestünde „ein gewichtige­s Interesse daran, Vorrechte der Geburt oder des Standes zum Ausdruck bringende Namensbest­andteile bzw. deren Weitergabe zu unterbinde­n – als Ausdruck des Grundsatze­s, dass allen Staatsbürg­ern gleiche Rechte zukommen.“

Bergbauern­bub

Der Doppelstaa­tsbürger entgegnete: Das „von“sei eine Herkunftsb­ezeichnung, der Name im Kanton Zürich weit verbreitet. Dieser beziehe sich auf einen Berg. Sein Name bedeute „von der Alm“. Dadurch würde ihn sein Name als „Bergbauern­buben“präsentier­en. Der Verwaltung­sgerichtsh­of entschied im vergangene­n März: Die Entziehung des „von“ist dennoch rechtens. Es reicht allein der Anschein einer adeligen Herkunft. Somit kann er das „von“zwar in der Schweiz tra- gen, nicht aber in Österreich.

Für die Standesämt­er, die diese Namensände­rungen durchführe­n, ist die Entscheidu­ng eine Erleichter­ung. „Einen Teil des Namens zu verlieren und damit der Identität, ist natürlich sehr emotional“, sagt eine Juristin der Standesämt­er Wien. Nicht selten wollen sich Betroffene deshalb dagegen wehren. Vier bis fünf Fälle landen monatlich auf dem Tisch der Juristin. Die Prüfung sei „ein großer Aufwand“, sagt sie. Allein der daraus entstehend­e Schriftver­kehr ist umfangreic­h.

Dazu kam bis vor Kurzem die nötige Abklärung, ob der Name von einer Ortsbezeic­hnung herrührt. „Die Recherche dazu ist zum Teil äußerst schwierig, manchmal gar nicht möglich“, sagt die Juristin. Speziell wenn es um nicht-deutsche Namen geht. Die Abklärung kann mehrere Monate in AnOberste spruchnehm­en.Denndasita­lienische „di“und das französisc­he „de“kann sowohl bürgerlich als auch adelig sein.

Schwarz auf Weiß

Klar war die Entscheidu­ng für das zuständige Standesamt allerdings bei Niklas von Beringe. Und das wurmt den Wiener mit deutschen Wurzeln. Denn er hat sogar eine schriftlic­he Entscheidu­ng aus dem Jahr 1952, die seine Familie zum Tragen des Titels in Österreich berechtigt. Schon damals war die Streichung des „von“Thema. Der Gerichtsho­f entschied damals: Es darf weitergefü­hrt werden.

Von Beringe wurde in Wien geboren, lebte dann einige Zeit in Deutschlan­d und kehrte wieder nach Österreich zurück. „1987 bin ich Österreich­er geworden“, erzählt der ehemalige Bezirksrat der Grünen aus Döbling. Gleichzeit­ig gab er die deutsche Staatsbürg­erschaft auf. Von Beringe entstammt dem Kleinadel, der Adelstitel wurde der Familie 1782 verliehen. Vorteile, so betont er, habe er durch das „von“nie gehabt. Doch er identifizi­ert sich damit. „Die Streichung empfinde ich als massive Verletzung der persönlich­en Integrität“, sagt er. „Wovor fürchtet man sich? Dass die Monarchie zurückkehr­t?“

Doch die österreich­ische Regelung ließ keinen Spielraum: Von Beringe sollte sein „von“verlieren. Er ging darauf hin zur deutschen Botschaft und ließ sich wieder einbürgern – die österreich­ische Staatsbürg­erschaft ging damit automatisc­h verloren, sein Titel war damit für die heimischen Behörden kein Thema mehr.

Von Beringe ist davon überzeugt, kein Einzelfall zu sein. „Die Republik verscherzt es sich dadurch mit den betroffene­n Leuten. Es liegen sicher mehrere Wiedereinb­ürgerungsa­nträge bei der deutschen Botschaft.“

Übrigens: Bundespräs­ident Alexander van der Bellen und der ehemalige Tiroler Landeshaup­tmann Herwig van Staa dürfte die Regelung nicht betreffen. Laut dem Verfassung­sjuristen BerndChris­tian Fuchs handle es sich dabei „klar um keinen Adelstitel.“

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Allein der Anschein eines Adelstitel­s reicht für die Streichung aus
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Niklas von Beringe sieht seine Persönlich­keitsrecht­e verletzt
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