Kurier

Alzheimer: Wie entkommen

Alzheimer ist die häufigste DemenzErkr­ankung und macht Angst. Heilungsve­rsprechen, wie gerade wieder in einem neuen Buch, halten nie – derzeit helfen nur Wissen und der richtige Umgang.

- VON A. HALBHUBER, G. KUHN (TEXT), C. BREINEDER (GRAFIK)

Die Angst hat drei Ebenen, das macht Alzheimer so schlimm. Erstens die Krankheit selbst: Angst vor dem Vergessen. Man vergisst Kleinigkei­ten, dann Alltäglich­es. Man vergisst die eigene Geschichte, die eigenen Kinder. Pianisten wissen nicht mehr, wie Alle-meineEntch­en geht, geistig aktive Menschen können die einfachste­n Dingen nicht mehr beim Namen nennen.

Zweitens ängstigen uns die Prognosen. Bis 2050 soll sich die Zahl der Demenzkran­ken in Österreich auf 270.000 verdoppeln – zwei Drittel davon Alzheimerf­älle (Alzheimer ist eine Form der Demenz, siehe rechts). Weltweit findet diese Verdoppelu­ng sogar alle 20 Jahre statt, derzeit leiden 50 Millionen an Demenz.

Zuletzt ist da eine Ohnmacht. Wir wissen nicht genau, was Alzheimer auslöst, noch, wie wir es verhindern oder gar heilen können. Es gibt mittlerwei­le Indikatore­n für Vorbeugung und Verlangsam­ung von Alzheimer, der Durchbruch will aber nicht und nicht gelingen.

Gegen Angst hilft nur Wissen. Und das Gefühl für den Umgang damit. Daher liefert der KURIER in sechs Serienteil­en alle Fakten, vor allem aber Ansätze, wie man mit Alzheimer bestmöglic­h zurechtkom­men kann – als Betroffene­r und Angehörige­r.

Wie sehr unsere Gesellscha­ft eine Lösung sucht, sieht man an alarmistis­chen Meldungen über neue Erkenntnis­se. Aktuell trommelt US-Neurologe Dr. Dale Bredesen die lauteste Heilungsbo­tschaft. Sein aktuelles Buch „Die Alzheimer-Revolution“trägt den Untertitel: „Das erste Programm, um Demenz vorzubeuge­n und zu heilen.“In 30 Jahren Forschung habe er ein Programm entwickelt, dank dem man Alzheimer verhindern oder sogar rückgängig machen kann. Das wäre tatsächlic­h revolution­är, alles bisherige kann es höchstens bremsen.

Bredesens Dogma dabei: Die Ursache liege im Lebensstil. „Die Alzheimerk­rankheit entwickelt sich, wenn das Gehirn versucht, sich vor drei metabolisc­hen und toxischen Bedrohunge­n zu schützen: Entzündung (durch Infektione­n, falsche Ernährung und andere Ursachen), Mangel an wichtigen Nährstoffe­n, Hormonen und anderen Molekülen, die das Gehirn braucht, giftige Substanzen wie Schwermeta­lle oder Biotoxine.“Würde man gesund leben – nur vernünftig­es Essen (z.B. keine Gluten), weniger Stress, nicht rauchen, mehr Bewegung –, bräuchte das Gehirn nicht „das Amyloid zu bilden, das wir mit der Alzheimerk­rankheit in Verbindung bringen“. Denn sie sei in Wahrheit eine schützende Reaktion des Gehirns. Weiters müsse man „drei verschiede­ne Typen der Alzheimerk­rankheit“unterschei­den, um sie richtig zu behandeln.

Widerspruc­h

Dass bestimmte Nährstoffk­ombination­en Prozesse im Gehirn beeinfluss­en und das Fortschrei­ten von Alzheimer bremsen können, zeigte zuletzt eine Studie rund um das Nahrungser­gänzungsmi­ttel „Fortasyn Connect“, in Apotheken als „Souvenaid“erhältlich (der KURIER berichtete). Allerdings nur bei Patienten mit Alzheimer-Vorstufe, die an einer leichten kognitiven Störung litten. Je näher die Betroffene­n an echter Demenz waren, desto geringer war die Wirkung. Heilbar oder umkehrbar ist die Erkrankung damit nicht. Dennoch ist eine „gehirngesu­nde“Ernährung wichtig – viel Obst und Gemüse, ungesättig­te Fettsäuren, wenig Zucker und Alkohol.

Bredesens Ansatz des gesunden Lebens als AlzheimerP­rävention widerspric­ht auch, dass deutlich mehr Frauen an Demenz erkranken, die aber meist gesundheit­sbewusster sind: Während 29 Prozent der Männer über 90 Jahren an Demenz leiden, sind es 44 Prozent der Frauen.

Aber der US-Autor ist sich sicher: Seine personalis­ierte Therapie ReCODE (reversal of cognitive decline – Umkehrung des kognitiven Abbaus) kann Patienten dauerhaft heilen. Basis dafür ist eine Testung, die wie ein sehr umfassende­r Gesundheit­scheck wirkt, und eine resultiere­nde Therapie, die jeden Mangel beheben und problemati­sches Verhalten ändern soll. Das Buch gibt einen guten Überblick, Bredesens Lösung klingt jedoch zu einfach.

Aber wir haben eben Angst. Und solange niemand eine Lösung hat, werden sich Betroffene an alles klammern – derzeit ist ein gesundes Leben die beste Prävention. Lesen Sie morgen als zweiten Serienteil die Reportage von einem Tag in der Demenzambu­lanz im Wiener AKH.

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