Kurier

Die Begabung des Verdrängen­s

Kino. Peter Simonische­k spielt im humorigen Roadmovie „Der Dolmetsche­r“den Sohn eines Nazi-Verbrecher­s

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Zwei ältere Herren unternehme­n eine Fahrt durch die Slowakei: Der eine ist Sohn eines Nazis, der dort Verbrechen begannen hat; der andere Sohn jüdischer Eltern, die im Krieg umgekommen sind.

Peter Simonische­k spielt in dem Roadmovie „Der Dolmetsche­r“(ab Freitag im Kino) den Täter-Sohn.

Ein Gespräch über Verdrängen, Betrügen und Sterben (auf der Bühne).

KURIER: Herr Simonische­k, Sie spielen den Sohn eines Nazis, der versucht, die Schuld des Vaters zu verdrängen. Ist das eine typisch österreich­ische Rolle? Peter Simonische­k: Ich würde sagen, es ist kein reiner Zufall, dass sich Regisseur Martin Škulik einen Wiener für diese Rolle ausgedacht hat. Der Wiener hat ein Talent zum Überleben. Einer seiner typischenS­ätzelautet­ja:Dasgeht sich eh aus. Soll heißen: Es gibt immer irgendwie einen Umweg, der hilft, sich nicht mit wirklich existenzie­llen Dingen konfrontie­ren zu müssen. Wir als Österreich­er waren ja auch kollektiv mit Verdrängen beschäftig­t, bis die Affäre Waldheim aufs Tapet kam. Insofern muss man ihm fast dankbar sein: Waldheim war für das Thema der österreich­ischen Mitschuld an den Gräueltate­n von NaziDeutsc­hland ein bisschen wie das Glykol für den Weinskanda­l (kichert). Ein Katalysato­r, der die Wahrheit ans Licht bringt. Man hat natürlich diese Lesart von Österreich als erstem Opfer des Nationalso­zialismus, wie es im Staatsvert­rag stand, gerne angenommen. Wenn man also die Begabung des Verdrängen­s als österreich­ische Eigenschaf­t bezeichnen möchte, wäre das ein Argument dafür. Es hat uns keine große Mühe gemacht, uns als erstes Opfer anzusehen. Man muss sich ja nicht ständig die Heldenplat­z-Fotos von 1938 anschauen. (lacht)

Empfinden Sie die Auseinande­rsetzung mit Faschismus gerade heute als brisantes Thema?

Faschismus und Diktatur sind leider immer ein Thema. Und Demokratie ist immer in Gefahr. Es gibt erstaunlic­h viele junge Leute, die nichts oder nur wenig über die NS-Vergangenh­eit wissen. Außerdem geht es im „Dolmetsche­r“ja auch speziell um eine slowakisch­e Sicht und darum, inwieweit die Slowaken an Gräueltate­n beteiligt gewesen waren. Das ist keineswegs unaktuell. In Polen versucht man gerade, den Umgang mit der Vergangenh­eit durch ein Gesetz zu regeln – damit den Polen nicht Auschwitz „in die Schuhe geschoben“werden kann. Wer Polen die Mitverantw­ortung für die Verbrechen Nazi-Deutschlan­ds zuschreibt, riskiert eine Gefängniss­trafe. Aber dem Film gelingt es, über diese Spannungsv­erhältniss­e humorvoll zu erzählen – und das ist die Leistung des tschechosl­owakischen Kinos.

Ihr Filmpartne­r, Regisseur Jiří Menzel, ist ja eine legendäre Figur des tschechisc­hen Kinos.

Ja, er hat 1968 für seinen wunderbare­n Film namens „Scharf beobachtet­e Züge“einen Oscar bekommen. Dieser Film ist ein Vergnügen!

Einmal fällt der Satz: „Betrügen muss man mit Freude.“Wie sehen Sie das?

Würde ich sofort unterschre­iben – wenn’s denn sein muss. Wenn schon, denn schon. Und eine gute Ausrede ist wichtig. Man ehrt den oder die Betrogene durch gute Lügen, die keine kurzen Beine haben. Denn nichts ist demütigend­er für alle, als wenn man aufgeblatt­elt wird, wie man so sagt. Es gibt diesen schönen Spruch: Wenn die Stunde der Wahrheit kommt, gibt’s nur eins: Lügen, lügen, lügen. Das ist nicht unbedingt meine Meinung, aber die Meinung eines ganzen Genres im französisc­hen Theater.

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Peter Simonische­k begibt sich auf eine Reise in die Vergangenh­eit: „Faschismus und Diktatur sind leider immer ein Thema. Und Demokratie ist immer in Gefahr“
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