Die Begabung des Verdrängens
Kino. Peter Simonischek spielt im humorigen Roadmovie „Der Dolmetscher“den Sohn eines Nazi-Verbrechers
Zwei ältere Herren unternehmen eine Fahrt durch die Slowakei: Der eine ist Sohn eines Nazis, der dort Verbrechen begannen hat; der andere Sohn jüdischer Eltern, die im Krieg umgekommen sind.
Peter Simonischek spielt in dem Roadmovie „Der Dolmetscher“(ab Freitag im Kino) den Täter-Sohn.
Ein Gespräch über Verdrängen, Betrügen und Sterben (auf der Bühne).
KURIER: Herr Simonischek, Sie spielen den Sohn eines Nazis, der versucht, die Schuld des Vaters zu verdrängen. Ist das eine typisch österreichische Rolle? Peter Simonischek: Ich würde sagen, es ist kein reiner Zufall, dass sich Regisseur Martin Škulik einen Wiener für diese Rolle ausgedacht hat. Der Wiener hat ein Talent zum Überleben. Einer seiner typischenSätzelautetja:Dasgeht sich eh aus. Soll heißen: Es gibt immer irgendwie einen Umweg, der hilft, sich nicht mit wirklich existenziellen Dingen konfrontieren zu müssen. Wir als Österreicher waren ja auch kollektiv mit Verdrängen beschäftigt, bis die Affäre Waldheim aufs Tapet kam. Insofern muss man ihm fast dankbar sein: Waldheim war für das Thema der österreichischen Mitschuld an den Gräueltaten von NaziDeutschland ein bisschen wie das Glykol für den Weinskandal (kichert). Ein Katalysator, der die Wahrheit ans Licht bringt. Man hat natürlich diese Lesart von Österreich als erstem Opfer des Nationalsozialismus, wie es im Staatsvertrag stand, gerne angenommen. Wenn man also die Begabung des Verdrängens als österreichische Eigenschaft bezeichnen möchte, wäre das ein Argument dafür. Es hat uns keine große Mühe gemacht, uns als erstes Opfer anzusehen. Man muss sich ja nicht ständig die Heldenplatz-Fotos von 1938 anschauen. (lacht)
Empfinden Sie die Auseinandersetzung mit Faschismus gerade heute als brisantes Thema?
Faschismus und Diktatur sind leider immer ein Thema. Und Demokratie ist immer in Gefahr. Es gibt erstaunlich viele junge Leute, die nichts oder nur wenig über die NS-Vergangenheit wissen. Außerdem geht es im „Dolmetscher“ja auch speziell um eine slowakische Sicht und darum, inwieweit die Slowaken an Gräueltaten beteiligt gewesen waren. Das ist keineswegs unaktuell. In Polen versucht man gerade, den Umgang mit der Vergangenheit durch ein Gesetz zu regeln – damit den Polen nicht Auschwitz „in die Schuhe geschoben“werden kann. Wer Polen die Mitverantwortung für die Verbrechen Nazi-Deutschlands zuschreibt, riskiert eine Gefängnisstrafe. Aber dem Film gelingt es, über diese Spannungsverhältnisse humorvoll zu erzählen – und das ist die Leistung des tschechoslowakischen Kinos.
Ihr Filmpartner, Regisseur Jiří Menzel, ist ja eine legendäre Figur des tschechischen Kinos.
Ja, er hat 1968 für seinen wunderbaren Film namens „Scharf beobachtete Züge“einen Oscar bekommen. Dieser Film ist ein Vergnügen!
Einmal fällt der Satz: „Betrügen muss man mit Freude.“Wie sehen Sie das?
Würde ich sofort unterschreiben – wenn’s denn sein muss. Wenn schon, denn schon. Und eine gute Ausrede ist wichtig. Man ehrt den oder die Betrogene durch gute Lügen, die keine kurzen Beine haben. Denn nichts ist demütigender für alle, als wenn man aufgeblattelt wird, wie man so sagt. Es gibt diesen schönen Spruch: Wenn die Stunde der Wahrheit kommt, gibt’s nur eins: Lügen, lügen, lügen. Das ist nicht unbedingt meine Meinung, aber die Meinung eines ganzen Genres im französischen Theater.