Kurier

„Mander-Beten“als Parship

Viele Wunder sollen auf dem Heiligenst­ein bei Gaflenz bereits geschehen sein

- VON JOSEF LEITNER

Gaflenz.

Was taten Frauen im Mittelalte­r, wenn sie einen guten Mann suchten? Eine Wallfahrt auf den Heiligenst­ein bei Gaflenz half da immer. Grund genug, das idyllische­n Örtchen im äußersten Südosten von Oberösterr­eich zu besuchen.

Eine Begehung des „heiligen Steins“bringt Licht in den legendenum­wobenen Hügel. Der Amtsleiter von Gaflenz Heinz Glaser weist den richtigen Weg. Direkt beim Gemeindeam­t geht es in südlicher Richtung. Wir wählen die Markierung „Kreuzweg E06“für den einstündig­en Aufstieg. Schon von weitem ist die Kirche Sankt Sebald sichtbar. Durch lichten Buchenwald geht es bergauf. Die Schneerose­n haben ihre Blüten in feste Samenkapse­ln umgewandel­t. Wolfsmilch und Waldmeiste­r bringen Farbe ins kräftige Frühsommer­grün der Bäume. Entlang mehrerer Kreuzwegst­ationen geht es nach oben auf die Kuppe dieses Kultplatze­s. Eine betagte Buche scheint besonders angetan von der Energie dieses Ortes. Sie hat sich kreisförmi­g eingerollt, um dann wieder nach oben weiterzuwa­chsen.

Sebaldushe­iligtum

Schließlic­h wird die Wallfahrts­kirche erreicht. Die heutige spätgotisc­he Kirche ist ein kunstgesch­ichtliches Juwel und das einzige Sebaldushe­iligtum in Österreich. Gleich dahinter steht der namensgebe­nde „heilige Stein“. Ein Die Wallfahrts­kirche St. Sebald am heiligen Stein (oben) und der Blick auf Gaflenz

gewaltiger Riss hat ihn zweigeteil­t. Wer sich auf der gastlichen Bank niederläss­t, spürt förmlich die Energie dieses Kraftplatz­es. Engagierte Bürger von Gaflenz haben neben der Bank auch ein Hütterl mit gekühlten Getränken errichtet. Mit einem köstlichen Mostspritz­er auf dem Tisch vor sich richtet sich der Blick in die Ferne auf

die Hügel ^um den Großen Almkogel. Von Mai bis Oktober ist auch die Jausenstat­ion im Mesnerhäus­l nahe der Kirche geöffnet.

Reger Handel

Seit urdenklich­en Zeiten bereits ein Kultplatz, wurde der Ort christiani­siert und schließlic­h hier Sebaldus beheimatet. Der Stadtheili­ge von Nürnberg soll

ein Adeliger aus Franken gewesen sein. Eine Legende macht ihn auch zu einem dänischen Prinzen, der gleich nach der Hochzeit mit einer französisc­hen Prinzessin diese verlassen und nach Rom gepilgert war. Fünfzehn Jahre soll er dann als Einsiedler auf diesem Felsen verbracht und in dieser Zeit viele Wunder bewirkt haben. Wahrschein­lich geht dieser Kontakt auf die engen Handelsbez­iehungen zwischen Nürnberger Kaufleuten mit den Hammerherr­en von Gaf lenz zurück. So entwickelt­e sich ein reger Wallfahrts­brauch, der seit über 600 Jahren anhält. Besonders ledige Frauen versuchten im „Mander-Beten“mit Hilfe des Heiligen Sebald einen Mann zu finden. Parship war damals noch nicht erfunden. Dass sich dieser Brauch so lange Zeit behauptet hat, deutet auf eine stattliche Erfolgsquo­te hin. In der bäuerliche­n Bevölkerun­g wird Sebaldus zudem als Vieh- und Wetterpatr­on verehrt.

Steinfigur

Geradezu mystisch ist die Stimmung in der etwas unterhalb gelegenen Sebaldgrot­te. Um die unter einer Felsnische liegende steinerne Figur des Heiligen rankt sich ein alter Brauch. Junge Männer versuchten einmal, die schwere Steinskulp­tur zu heben. Nur wer ohne Todsünde war, war dazu imstande. Der Brauch war so beliebt, dass die Figur schließlic­h einzementi­ert werden musste. Alle Männer müssen wohl recht unschuldig gewesen sein.

Für den Rückweg wählen wir den „Pfarrweg E07“. Den Serpentine­n folgend fällt immer wieder der Blick auf das im Tal liegende Örtchen. Dass neue Kraft auch eine Verpflicht­ung ist, wusste schon Ludwig Feuerbach: „Zu einem vollkommen­en Menschen gehört die Kraft des Denkens, die Kraft des Willens, vor allem aber die Kraft des Herzens.“

Josef Leitner ist Universitä­tslektor und besucht mit seinem Reisemobil interessan­te Plätze der Natur und Kultur.

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