Kraftplätze und Lagerfeuer-Romantik beim Waldluftbaden im Mühlviertel
Kraftplätze, Waldschmankerl und Lagerfeuer-Romantik beim Waldluftbaden im Mühlviertel
Anita Holzinger geht gerne in den Wald. Die Mühlviertlerin führt regelmäßig Menschen in die Natur ihrer Heimatumgebung Neumarkt bei Freistadt und zeigt ihnen Plätze mit besonderer Energie und Wackelsteine mit Aussichtspotential. Sie kocht für sie am Lagerfeuer Kaffee (der richtig gut schmeckt), führt sie zu einer Einsiedler-Höhle und sogar bis zum Himmel. Anita spaziert aber nicht einfach so durch den Wald – sie ist Waldluftbademeisterin mit Zertifikat.
„Wenn ich im Wald bin, ist mein Hirn auf Urlaub“, sagt Anita. Bevor sie in das Ökosystem eintritt, pf legt sie ihr Schwellenritual. „Ich sag dann, ich bin da und höre bewusst auf das, was der Wald zu erzählen hat.“Und soeinWaldweißviel.Anitaübersetzt es und macht ein exponiertes Fleckchen mit Weitblick auf die umliegenden Dörfer zu einem Kraftplatz: „Dieser Ort ist luftig und frisch. Alles, was schwer ist, geben wir hier ab.“Ballast abwerfen tut immer gut, uns ist schon um einiges leichter.
Zur Himmelsstiege
Das Gefühl der Leichtigkeit nehmen wir mit in den Wald, wo wir auf saftigem, weichem Moos zur Himmelsstiege schweben. Dort erklimmen wir einen Felsen und suchen uns unseren persönlichen Kraftplatz. Nicht jedes Plätzchen ist für alle gleich kraftvoll. Manche haben mehr Energie als andere, manche sind nur für Männer, andere für Frauen. Das haben schon die alten Kelten gewusst, das sagen auch die Geomanten Wolfgang Strasser und Günter Kantilli.
Sie haben im Rahmen der Mühlviertler Waldluftbade-Studie 2015/2016 die schönsten Wanderwege und Waldluftbadeplätze, verschiedene Waldarten, Orts- und Naturkräfte in der Gegend erforscht und zwölf Waldluftbadegemeinden – darunter Neumarkt, Freistadt, Kefermarkt, Pregarten, Tragwein – zertifiziert.
Gut für Körper und Geist
Im Rahmen dieser Studie stellte der Allgemeinmediziner Martin Spinka außerdem fest, dass Baden im Wald nicht nur für den Kopf, sondern auch für den Körper gut ist. Die Japaner wissen das schon lange. Sie haben mit Shinrin-Yoku dem Waldbad bereits in den 1980er-Jahren einen Namen gegeben und sehenesheutealsfixenBestandteil ihrer Gesundheitsvorsorge.
Aber auch hierzulande ist Forest Bathing längst modern, das bewusste Verweilen im Wald entschleunigt und erdet – subjektiv betrachtet, und ist gesund – nachgewiesenermaßen. So hat Spinka bei der medizinischen Feldstudie anhand der Messung der Herzratenvariabilität herausgefunden, dass mindestens vier Stunden pro WocheimWaldpositiveAuswirkungen auf das vegetative Nervensystem haben. Letzteres steuert über den Parasympathikus lebensnotwendige, autonom ablaufende Funktionen wie Atmung, Verdauung, Herzfunktion oder Immunsystem. Nach dem regelmäßigen Baden im Wald regeneriert und entspannt man leichter, man schläft besser und die Verdauung wird unterstützt. Selbstheilungs- und Widerstandskräfte werden gestärkt, das Herz auch.
Zurück zu Anita in den Lammer Wald. „Ich muss aus der Komfortzone raus und suche im Wald auch das Abenteuer “, so die Erlebnispädagogin. Das findet sie – immer im Einklang mit der Natur freilich – reichlich, etwa in der Höhle des Eremiten Steinmetz-Sepp, der im 19. Jahrhundert in die Felsen Türangeln gebohrt und mit einem Futtertrog Wasser gesammelt hat oder beim Feuermachen für die Kaffeejause. „Auch für mich ist das hier eine Juwelgegend“, meint Michael. Er ist ebenso wie Maria und Rudolf Waldluftbademeister und interessiert daran, wie seine Kollegin ihre Waldtour anlegt. Jeder der diplomierten Waldführer hat seinen Schwerpunkt. Während Michael bei seinen Routen das Wasser sucht und Rudolf mit Leidenschaft fotografiert, isst sich MariadurchdieVegetation:„Die jungen Tannenwipfel schmecken gut“, erklärt sie. Sie schwört auf Naturheilmittel und erweitert ihren Speiseplan gerne um die grünen Gaben des Waldes. Irgendwann muss man aber trotz aller positiver Effekte wieder weg. Wenn Anita dann den Wald verlässt, sagt sie „Danke! Das gehört sich so, wenn man irgendwo Gast war“.