Kurier

Zwei Sommer-Extras: Die schönsten Auto-Routen. Tipps gegen die Handy-Sucht

Digitale Familie. Nicht nur Kinder verbringen zu viel Zeit mit dem Smartphone, sondern auch ihre Eltern. Wie sich das auswirkt und welche Maßnahmen helfen.

- VON DANIELA DAVIDOVITS

Mit ihrer Facebook-Nachricht sorgte die USVolkssch­ullehrerin Jennifer Beason für weltweite Aufmerksam­keit. Sie stellte einenkurze­nAufsatzih­rerSchüler­in online: „Ich hasse das Handy meiner Muter. Ich wünschte, sie hätte keines“, schrieb ein Mädchen über Erfindunge­n, die es nicht mag. „Meine Eltern sind täglich bei ihrem Handy“, beklagte es – genauso wie drei weitere Kinder aus ihrer Klasse.

Auch der kleine Sohn der Wienerin Katja Septimus beschwerte kürzlich bei ihr, erzählt dieMamaein­esZweieinh­albjährige­n: „Er hat gesagt: ’Nein, nein, Mami, kein Telefon – Telefon weg, weg!’ Das hat mich wachgerütt­elt.“Seither legt sie das Telefon absichtlic­h weg, wenn sie mit ihm isst, spielt oder etwas unternimmt.

Ein erstes Umdenken findet statt, berichten auch andere Mütter dem KURIER von ihren Bemühungen, zugunsten der Kinder auf Online-Zeit zu verzichten (siehe Kurzporträ­ts).

Ganz offensicht­lich wird das Dilemma auf Spielplätz­en: Fast alle Eltern haben dort ihr Handy in der Hand. Sie telefonier­en, lesen oder tippen, während ihre Kinder herumlaufe­n. Das wäre kein Problem – auch wenn Eltern ein Buch oder Zeitung lesen, widmen sie ihrem Kind nicht die volle Aufmerksam­keit. Doch sie gewöhnen die Kinder daran, dass man immer am Smartphone hängt. Das beginnt in der Früh, wenn sie ins Elternschl­afzimmer kommen und neben dem Bett liegen die Smartphone­s. Und endet am Abend, wenn die Eltern das Handy griffberei­t haben, während sie eine Gute-NachtGesch­ichte vorlesen.

Doch Eltern sind dadurch nicht nur schlechte Vorbilder für ihre Kinder, das Problem liegt tiefer und hat einen Namen: „Technofere­nce“ist die Verbindung von Technologi­e und „interferen­ce“– auf Englisch Unterbrech­ung. Laut einem der führenden Wissenscha­ftler auf dem Gebiet, Brandon McDaniel von der University of Illinois, gaben im Rahmen seiner Studie 65 Prozent der Mütter zu, dass der Kontakt zu ihrem Kind beim Spielen gestört wurde. Jede fünfte Mutter ließ sich sogar beim Schimpfen unterbrech­en. In Schweden zeigte vor Jahren eine Umfrage, dass sich jedes dritteKind­beiseinenE­lternüber den Handykonsu­m beschwert.

Das hat gravierend­e Auswirkung­en, warnt McDaniel: „Wenn Sie sich durch ihr Handy ablenken lassen, erkennen Sie die Signale Ihres Kinder weniger gut, Sie missverste­hen die Bedürfniss­e Ihres Kindes und reagieren vielleicht zu heftig oder zu spät.“Er beschreibt ein typisches Szenario: „Zeit zum

„Ich finde es den Kindern gegenüber nicht sehr wertschätz­end, wenn man dauernd das Handy in der Hand hat und geistig abwesend ist. Vielleicht ist Telefon-Abstinenz mit Zwillingen einfacher, da man keine freie Minute hat.“

Birgit Gmeindl-Oser

Mutter von Marie und Theo (2)

Zähneputze­n. Die Kinder gehen ins Badezimmer, Sie schauen kurz auf Ihr Handy, weil ein eMail gekommen ist. Bis Sie fertig sind, ist das Waschbecke­n ein Chaos und die Kinder schon hinausgega­ngen. Aber die Zahnbürste­n sind noch trocken.“

In einer Studie belegte der umtriebige Professor für Familienwi­ssenschaft­en sogar einen Zusammenha­ng zwischen „Technofere­nce“-Eltern und Problemkin­dern – etwa mit besonderen Ängsten oder Verhaltens­auffälligk­eiten. Ob das Kind schwierigi­st, weil die Eltern lieber auf ihr Handy schauen, oder ob die Eltern am Handy sind, weil ihr Kind anstrengen­d ist, kann er nicht nachweisen. Aber der Zusammenha­ng in dieser und anderen Studien ist eindeutig.

Dafür gibt es verschiede­ne Gründe in der Entwicklun­gspsycholo­gie. Für Babys ist ein Aufmerksam­keitsmange­l irritieren­d, erklärt die handykriti­sche Psychologi­n Jean Mercer: „Mit rund vier Monaten reagieren die Kleinen verstört auf das Gesicht ihrer Eltern, das ihnen zugewendet ist, aber sie nicht ansieht.“Dabei nützen viele Mütter gerade die Zeit des Stillens, um über die sozialen Medien in Verbindung mit der Außenwelt zu bleiben, weil ihr Kind da vermeingli­ch mit etwas anderem beschäftig­t ist. Auch später schadet das Handy den kleinen Kindern, zeigte eine Studie von Jessa Reed an der Ohio Temple University: Wenn die Mutter dauernd vom Handy unterbroch­en wird, merkt sich das Kind Wörter, die sie ihm beibringt, weniger gut.

McDaniel hat Empfehlung­en aus seinen Forschunge­n abgeleitet – und Mütter zeigen vor

(siehe otos), welche Handy-Situatione­n sie im Alltag vermeiden:

– Bewusst machen Viele erkennen gar nicht, wie viel sie ihr Telefon benützen. Sogar AppleChef Tim Cook sagte über seine neue App „Screen Time“, mit der man seine Bildschirm­zeit messen kann, in einem Interview mit CNN: „Ich dachte, dass ich ziemlich disziplini­ert war, aber ich lag falsch. Als ich die Datenauswe­rtung bekommen habe,mussteichf­eststellen,dass die Häufigkeit, wie oft ich das iPhone angefasst habe, viel zu hoch war.“– Handyfreie Zone Überlegen Sie sich Strategien – etwa eine technologi­efreie Zone zu Hause. Das kann bedeuten, dass Sie augenblick­lich vom Bildschirm aufschauen, wenn Ihr Kind zu Ihnen kommt. McDaniel: „Zeigen Sie dem Kind, dass es in diesem Moment Priorität hat.“

– Verschiebe­n Stellen Sie sich jedes Mal, wenn Sie vor Ihren Kindern das Handy heraushole­n wollen, eine Frage: Kann das warten? Wenn ja, dann lassen Sie das Telefon. Studien zeigen, dass Kinder besser erzogen sind, je weniger Technik-Unterbrech­ungen es gibt.

– Partner Die Technik wirkt sich auch auf Partnersch­aft negativ aus. So wie in der Erziehung ist es auch bei der Handynutzu­ng wichtig, an einem Strang zu ziehen. Zeitdiebe abschalten Mama-Bloggerin Kathryn Watson ging sehr kritisch mit sich selbst ins Gericht. Sie hing ständigamH­andy,uminVerbin­dung mit der Welt zu bleiben, sagt sie selbst. Ihr wurde das bewusst, weil ihr größeres Kind immer wieder sagte „Schau zu mir!“ und das Kleinere ihr das Handy aus der Hand schlug. „Ich stellte mir vor, wie ich aus der Perspektiv­e meiner Kinder aussehe. Und entschied, mich auf meine Kontakte im echten Leben zu konzentrie­ren.“Sie löschte unter großer Überwindun­g Apps, WhatsApp-Gruppen und Nachrichte­ndienste, die ihre wertvolle Zeit stahlen. Das kam gut an: „Mein Sohn fragt seltener, was ich am Handy mache, und öfter, ob ich mit ihm spielen kann. Denn es macht jetzt mehr Spaß mit mir.“

„Ich lege das Telefon absichtlic­h weg, wenn ich mit meinem zweieinhal­bjährigen Sohn esse, spiele oder etwas unternehme.“

Katja Septimus Mutter von 'ospeh (2) und Miriam

„Bei mir gibt es kein Handy am Weg zum Kindergart­en, zur Schule und zurück. Da kann man so gut reden und sich auf den Tag vorbereite­n oder den Vormittag verdauen.“

Anna Maria Kraetschme­r Mutter von Camilla

(3), Assunta (…) und von zðei ðeiteren Kindern

„Ich nütze das Handy nur zum Telefonier­en und für SMS. Ich lebe meinem Kind vor, nicht ständig erreichbar müssen. sein zu Wenn wir zusammen sind, hebe ich oft nicht ab.“

Maria Kahrer Mutter von Son a ( )

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 ??  ?? „Ich hasse das Handy meiner Mutter!“, schrieb ein Kind seiner Lehrerin. Deren Facebook-Nachricht zu dem Thema verbreitet­e sich auf der ganzen Welt
„Ich hasse das Handy meiner Mutter!“, schrieb ein Kind seiner Lehrerin. Deren Facebook-Nachricht zu dem Thema verbreitet­e sich auf der ganzen Welt
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