Straßendemo in Wien: Bodennähe statt Höhenluft
Warum der ÖGB ausgerechnet am 30. Juni, just am Tag nach Schulschluss, zur Großdemo gegen den 12-Stunden-Tag aufruft?
Nicht aus Schlamperei, sondern aus Kalkül: Der Gegner – sprich die Regierung – weilt dann auf der idyllischen Schafalm auf der Planai; und die Bilder, die man währenddessen in Wien produzieren will, sind so etwas wie die Antithese zum Almgipfel. Zehntausende mit Trillerpfeifen, in VOEST-Werksuniformen, in den Anzügen ihrer Freiwilligen Feuerwehr sollen da Richtung Heldenplatz ziehen – und den Politikern auf 1900 Meter Seehöhe eines ausrichten: Nicht mit uns.
Zehntausende am Heldenplatz. Überparteilicher Protest
Ob es wirklich „mehrere Zehntausende“sein werden, wie ÖGB-Organisationschef Willi Mernyi sagt, muss sich weisen – beim „Aufwärmen“für Samstag, einem Sternmarsch in Linz am Dienstag, waren es laut Polizei jedenfalls schon mal 4000 Teilnehmer. Damit es deutlich mehr als in der Stahlstadt werden, haben der ÖGB und seine Teilgewerkschaften Busse für alle DemoWilligen organisiert – ein Service übrigens, das auch die SPÖ anbietet. Bei der Demo selbst soll die Partei aber keine große Rolle spielen: Der Protest sei ganz „bewusst überparteilich“angelegt, heißt es aus dem ÖGB – nicht umsonst wird SPÖ-Chef Christian Kern nicht reden und schwarze Gewerkschafter Seite an Seite mit roten, grünen und fraktionslosen marschieren. Allein, blaue Funktionäre wird man kaum antreffen, so die Auskunft.
Das Programm bietet hingegen eher bekanntes Repertoire. Nach dem Marsch vom Westbahnhof, der um 14 Uhr startet, werden „alle Gewerkschaftsvorsitzenden sprechen, dazu Vertreter der Zivilgesellschaft wie Volkshilfe-Chef Erich Fenninger und auch eine Gesundheitsexpertin“, sagt Mernyi. Bis auf Tatort-Star Harald Krassnitzer, einen Kritiker der ersten Stunde, werden allerdings keine Künstler oder Musiker bei der Demo auftreten; stattdessen will man den Menschen auf der Straße den Vortritt lassen. „Viele Vereine haben sich gemeldet, auch Freiwillige Feuerwehren, die alle eines sagen: Wenn das Gesetz kommt, können wir uns unsere Aktivitäten sparen“, sagt Mernyi. Auch hier setzt man auf das Credo: Bodennähe statt Höhenluft.