Was der Teamchef in Russland gesehen hat
Franco Foda. Ein WM-Start ohne Pressing, variables Spiel und eine beeindruckende Organisation
Früh muss er am Mittwoch aus den Federn. Sehr früh sogar. „Mein Rückflug geht schon um sechs“, sagt Österreichs Teamchef Franco Foda. Zu Ende geht damit seine Beobachtungstour durch Russland, das Sammeln von Ausschnitten einer Weltmeisterschaft aus der Vogelperspektive, (noch) als Tribünengast.
Drei Spiele hat er gesehen. Belgien gegen Tunesien (5:2), England gegen Panama (6:1) und zum Abschluss die Franzosen gegen die Dänen. Das erste 0:0 der WM.
Verlassen wird Foda das Veranstalterland tief beeindruckt, weil ihm die Organisation so imponierte. „Per- fekt. Das hätte ich mir ehrlich gesagt nicht so vorgestellt.“
Insgesamt haben sich ÖFB-Trainer zehn WM-Spiele in Russland live zu Gemüte geführt. Allesamt mit europäischer Beteiligung.
Die Verlockung, manche Entscheidung seiner Trainerkollegen zu bewerten, ist bedingt vorhanden. „Dass Jogi Löw gegen Schweden schon in der Pause einen Stürmer gebracht hat, um alles zu riskieren, hätte ich auch gemacht.“Bei diesem Turnier sei für einen Trainer von ausschlaggebender Bedeutung, dass „nicht nur eine gute Vorbereitung wichtig ist, sondern vor allem das Coaching während des Spiels“.
Was sonst noch so überraschte?
„Dass es in der ersten Runde der Gruppenphase kaum Angriffspressing gegeben hat.“Den Grund dafür kenne er nicht, sagt Foda. „Vielleicht, weil viele schon eine lange Saison hinter sich gebracht haben. Da wurde auf allen Seiten abgewartet. Leidenschaft konnte da noch etwas bewirken.“
Das habe sich geändert, als es um die Entscheidung ging. Vor allem für die so genannten Kleinen. „Technisch sind sie alle gut, doch wenn sie gewinnen müssen, die Räume größer werden, bekommen sie riesige Probleme in der Defensive.“
Deshalb hat er alleine in den ersten zwei Partien zuletzt 14 Tore gesehen. Den klassischen Stürmer gebe es nicht mehr, „es ist schon eine besondere Klasse, wie Belgiens Romelu Lukaku oder Englands Harry Kane in das Kombinationsspiel eingreifen, wie sie in die Tiefe gehen.“
Schalter umlegen
Beide Teams seien auch Vorbilder, wenn es um die variable Spielanlage geht. Die beiden europäischen Topmannschaften, die er bei der WM beobachtet hat, würden sich dabei von der österreichischen Idee nicht maßgeblich unterscheiden. „Aus der Dreierkette spielen sie sehr variabel nach vorne und sind defensiv kompakt. Sie können jederzeit umstellen auf eine Vierer-, Fünferkette, oder eine Raute.“Das mache unberechenbar.
Trotzdem bleiben Deutschland und Brasilien, die eher positionsbezogen agieren, Fodas Titelfavoriten. Weil sie natürlich ihre außergewöhnliche individuelle Klasse ausspielen, „überhaupt wenn sie früh in Führung gehen.“Sein geheimer Titelfavorit? Uruguay. Sehr geheim.