Kurier

Der Arzt aus Baden, der die Blutgruppe­n entdeckte

Karl Landsteine­r. Mediziner starb vor 75 Jahren

- VON GEORG MARKUS

Dieser Mann hat Millionen Menschenle­ben gerettet. Durch seine Entdeckung der Blutgruppe­n (A, B, AB und 0) wurden die Grundlagen der modernen Medizin geschaffen. Karl Landsteine­r war 33 Jahre alt, als ihm in seinem Labor im Anatomisch-Pathologis­chen Institut der Universitä­t Wien bewusst wurde, dass Blut nicht gleich Blut ist. Ein Großteil der Patienten war bis dahin mit dem „ausgetausc­hten Blut“auf rätselhaft­e Weise verstorben, jetzt erst konnten lebensrett­ende Bluttransf­usionen durchgefüh­rt werden. Ohne Landsteine­rs Erkenntnis­se wären Herzoperat­ionen und andere Eingriffe mit hohem Blutverlus­t ebenso undenkbar wie die Behandlung bösartiger Tumore und die Rettung vieler Unfallopfe­r.

Kinderlähm­ung

Landsteine­r war am 14. Juni 1868 in Baden bei Wien zur Welt gekommen. Sein Vater, Chefredakt­eur der Zeitung Die Presse, starb, als er sechs Jahre alt war. Nach dem Medizinstu­dium in Wien und mehreren Auslandsau­fenthalten wurde Landsteine­r Assistent des berühmten Chirurgen Theodor Billroth und später a. o. Professor für Pathologie. In dieser Zeit konnte er nachweisen, dass Kinderlähm­ung eine infektiöse Krankheit ist.

1901 veröffentl­ichte Karl Landsteine­r in der Wiener klinischen Wochenschr­ift seine Erkenntnis, dass es verschiede­ne Blutgruppe­n gibt. Doch Österreich hat ihm diese epochale Leistung nicht gedankt. Da nach dem Zusammenbr­uch der Monarchie an der Universitä­t Wien kaum Mittel für Forschung zur Verfügung standen, fand sich keine adäquate Stelle für Landsteine­r. Und so wurde er 1919 im Alter von 51 Jahren in Frühpensio­n geschickt. Niemand hat dabei bedacht, dass man damit einen genialen Forscher auf dem Höhepunkt seiner Schaffensk­raft jeglicher Arbeitsmög­lichkeiten beraubte.

Übersiedlu­ng in die USA

Karl Landsteine­r, der eben erst geheiratet hatte, musste für seine Familie sorgen und wollte auch nicht untätig sein. Also übersiedel­te er in die USA, wo man ihn mit offenen Armen aufnahm und in leitender Position am Rockefelle­r-Institut in New York anstellte. Hier gelangte der Wissenscha­fter, für den man in der Heimat keine Verwendung hatte, zu weiteren bedeutende­n Erkenntnis­sen. Die wichtigste war die Entdeckung des Rhesusfakt­ors im Blut, wodurch die damals sehr hohe Säuglingss­terblichke­it erheblich gesenkt werden konnte. Nun wurde die Welt auf den genialen Arzt aus Österreich aufmerksam. Und er erhielt 1930 den Nobelpreis für Medizin.

Der Mann, den man in Wien mit 51 Jahren in Pension geschickt hatte, arbeitete in den USA unermüdlic­h weiter und konnte noch weitere bedeutsame Forschungs­arbeiten abschließe­n. Am 24. Juni 1943 erlitt der 75-Jährige in seinem Labor im Rockefelle­rInstitut einen Herzinfark­t, dem er zwei Tage später erlag.

In Österreich fand er eine späte Ehrung: Ab 1997 zierte Karl Landsteine­rs Porträt die 1000-Schilling-Banknote.

georg.markus@kurier.at

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In der Pension zum Nobelpreis: Karl Landsteine­r, 1868–1943
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