„In den USA laufen die Uhren anders“
Bilanz einer Blitzvisite im US-Parlament: Selbst Kritiker rechnen bereits mit zweiter Ära Trump
Während die Empörung über Donald Trumps Politik in Europa kein Ende nimmt, spürt man bei der Elite in Washington so etwas wie Resignation. „Wahrscheinlich wird es noch eine zweite Amtszeit geben, aber auch das wird vorübergehen.“Dieser Tenor ist beim Empfang zum Start der österreichischen EU Rats präsidentschaft inder Botschaft in Was hingto nun überhörbar. Selbst beider politischen Elite hat sich ein Wandel vollzogen. Kein Kopfschütteln über seine Tweet-Orgien, wo Trump provoziert. Damit agiert Trump als „Meinungsbildner“hört man von den republikanischen Senatoren. Man scherzt im Senat, dass man froh sei, nicht mehr nur die Washington Post „lesen zu müssen“. Kaum Kritik an seiner Zollpolitik – und das obwohl die Republikaner stets Befürworter von Freihandelszonen waren. Keine Zweifel an seiner Iran-Strategie. Im Gegenteil. „Die älteren Senatoren sind beeindruckt, wie Trump am Puls bei der Bevölkerung ist“, bilanziert Wolfgang Sobotka. Sie sprechen auch nicht von einer „Trump Poli- tik“, sondern ausdrücklich sogar von einer „nationalen Politik“. Der Nationalratspräsident hat in den vergangenen zwei Tagen einen Gesprächsmarathon mit Kongressabgeordneten und Senatoren aus beiden politischen Lagern hingelegt.
Zwischendurch muss er sich mit Irritationen aus Wien beschäftigen. Während seiner Abwesenheit versuchte die Opposition das für kommenden Donnerstag geplante Sommerfest des Parlaments zu skandalisieren. Verärgert über mangelnde Kooperationsbereitschaft vor allem der SPÖ (und einen via Kronenzeitung lancierten entsprechenden Bericht), sagte Sobotka das Sommerfest dann kurzfristig ab.
In Washington mit an seiner Seite ist auch ÖVP-Abgeordneter Reinhold Lopatka. Der Ex-ÖVP-Klubchef ist ein langjähriger Kenner der USPolitik. Seit 1989 besucht er jede Convention der US-Republikaner. Alle vier Jahre findet der Parteitag statt, um deren Kandidaten für die Präsidenten-Wahl zu nominieren.
„Bin überrascht“
Auch Lopatka erkennt einen signifikanten Wandel in der Rhetorik. „Ich war überrascht. Bei der Convention waren die Republikaner nochbemüht,s ichvon Trump zudistanzieren, heute distanzieren sich nicht einmal jene Politiker, die es sich leisten können, weil sie bei den Midterm-Wahlen im Herbst nicht mehr antreten“, so Lopatka. Damit meint er vor allem Trumps einst mächtigsten Kritiker Paul Ryan. Auch mit dem scheidenden Sprecher des Repräsentantenhauses konnte Sobotka einen 30-minütigen Termin arrangieren. „Die meisten Republikaner sind beeindruckt, wie Trump ein Wahlversprechen nach dem anderen einlöst“, so Sobotka. Offiziell zieht sich Ryan aus familiären Gründen aus der Politik zurück. „Er hat erzählt, dass seine drei Kinder jetzt Teenager sind, und er mehr Zeit für sie haben will“, erzählt der Ex-Innenminister.
Ryans Rückzug lesen PolitikHaudegen aber auch anders. Hinter der Auszeit steckt möglicherweise Resignation, die Ryan aber taktisch zu nützen weiß. „Sein Vorteil ist, dass er erst 48 Jahre alt ist. Wenn er jetzt eine Pause macht, kann er nach der Ära Trump ein Comeback machen“, analysiert Lopatka.
Doch woher kommt der Wandel in Washington? Es sind die Umfragen, die Trump stark machen. Das zeigen brandaktuelle Daten des PWE Research-Center in Washington, die den Gästen aus Wien eine Analyse über den Trump-Faktor präsentierte. 53 Prozent der Republikaner sagen, dass sie bei den Midterm-Wahlen bewusst „eine Stimme pro Trump-Politik abgeben werden“. Zum Vergleich: Beim letzten US-Präsidenten aus dem republikanischen Lager George W. Bush waren es nur 33 Prozent.
Noch eine Erhebung erklärt das Phänomen Trump eindrucksvoll: 2016 waren 44 Prozent aller Wähler weiße US-Bürger ohne College-Abschluss. 1997 waren es hingegen noch 61 Prozent. Obwohl deutlich weniger Weiße ohne College-Abschluss zur Wahlurne gingen, konnte Trump 59 Prozent dieser Wähler für sich gewinnen. „Trump kann die republikanische Basis sehr gut mobilisieren. Deswegen blieb der Wert unter dieser Zielgruppe sehr stabil“, analysiert Alec Tyson von PWE Research-Center. Sobotkas Bilanz: „Man muss akzeptieren, in den USA laufen die Uhren anders.“