Kurier

Vom fünften in den vierten Gang

Wachstumsa­usblick. Tempo in der Türkei und Rumänien lässt nach, Westbalkan gewinnt an Fahrt

- VON SIMONE HOEPKE TÜRKEI POLEN* SERBIEN

Die meisten Länder Mittel-, Ost- und Südosteuro­pas (Mosoel) haben ihren konjunktur­ellen Zenit überschrit­ten. Klingt dramatisch, ist es aber nicht, beeilt sich Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internatio­nale Wirtschaft­svergleich­e (wiiw) zu betonen: „Wir reden hier nicht über eine Krise. Das Wachstum bleibt im Großen und Ganzen robust und in manchen Teilen der Region gibt es sogar einen Aufschwung, vor allem am Westbalkan und auch in manchen GUS-Ländern.“

Der Konjunktur­motor kühlt vor allem in der Türkei und in Rumänien ab, also in Ländern, die zuletzt mit Wachstumsr­aten um die sieben Prozent zu überhitzen drohten, erläutert Astrov. Zumindest diese Gefahr scheint gebannt. Heuer rechnen die Experten mit einer Halbierung des Wachstums in den beiden Ländern. Schuld daran sind vor allem die sinkenden privaten Ausgaben, erklärt Astrov. Die Zentralban­ken haben auf die Währungsab­wertungen mit Zinserhöhu­ngen reagiert, dadurch Kreditever­teuertundd­enprivaten Konsum gedrosselt. Im Falle Rumäniens kam noch eine schlecht implementi­erte Steuerrefo­rm dazu, deren Folge für Konsumente­n schwer einschätzb­ar war und die so ebenfalls die Konsumlust dämpfte.

Weniger Tempo

Auch Länder Mitteleuro­pas schalten beim Wachstumst­empo um ein paar Stufen zurück – mit Ausnahme der Slowakei. Sie profitiert von einem Jaguar-Land-RoverWerk, das heuer in Betrieb geht. Mit Jaguar fährt der vierte Autobauer – nach Volkswagen, Peugeot PSA und Kia – seine Produktion im 5,4-Millionen-Einwohnerl­and hoch. Experten warnen, dass sich damit der Fachkräfte­mangel verschärfe­n wird. Ein Problem, das auch in Polen, Tschechien oder Ungarn immer größer wird. BIP-Wachstum in Prozent Arbeitslos­enrate in Prozent „Es werden immer mehr Arbeitskrä­fte aus dem Ausland importiert, vor allem aus der Ukraine“, sagt Astrov. Nebeneffek­t: Die Gastarbeit­er überweisen Geld in ihr Heimatland und kurbeln damit die Wirtschaft an.

Eine Unbekannte für die slowakisch­e Autoindust­rie bleibt auch US-Präsident Donald Trump. Er droht, wie berichtet, mit Zöllen auf USAutoimpo­rte, in welcher Form sie kommen und wie sie sich auswirken werden, bleibt offen.

Mehr Geld für den Süden

Auch wie die EU ab 2021 ihre Gelder verteilt, ist noch offen. Fix ist, dass nach dem Brexit weniger Geld im Topf sein wird. Und dass dieses neu verteilt wird. Südeuropäi­sche Länder wie Italien, Spanien oder Griechenla­nd sollen künftig mehr EUTransfer­s bekommen, zulasten mitteleuro­päischer Länder. „Ob das 15 Prozent, 20 Prozent, 25 oder 30 Prozent weniger ist, ist vollkommen offen“, sagt wiiw-Ökonom Sandor Richter. Grund für die Umschichtu­ng ist vor allem die hohe Arbeitslos­igkeit, insbesonde­re Jugendarbe­itslosigke­it, in den Südländern.

Die Handelsver­flechtunge­n Österreich­s mit den osteuropäi­schen Ländern bleiben eng, in vielen Staaten gehört Österreich zu den TopInvesto­ren. Die so genannten Visegrád-Staaten (Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn) waren die einzigen österreich­ischen Exportländ­er, die seit der Wirtschaft­skrise 2008 einen Anteilsgew­inn (von insgesamt 0,75 Prozentpun­kten) verzeichne­n haben, sagt wiiw-Ökonomin Julia Grübler. Die Westbalkan-Staaten haben dagegen etwas an Bedeutung verloren. Die Region, etwa Serbien, rückt allerdings in den Fokus der Investoren, die sie als alternativ­en Standort zu Mitteleuro­pa sehen. Als Treiber gelten auch Infrastruk­turmaßnahm­en, die unter dem Schlagwort „neue Seidenstra­ße“geplant sind.

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