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Eine WM auf hohem Niveau, aber definitiv nicht spektakulä­r

- CHRISTIAN FUCHS Christian Fuchs (32) war Teamkapitä­n und hat im Sommer 2016 nach 78 Spielen seine Teamkarrie­re beendet.C sport@kurier.at

Über die Gründe für das Aus der Deutschen kann man nur spekuliere­n. Und da liegen Außenstehe­nde meist falsch. Das habe ich selbst erlebt. Die Vorrunde ist gespielt, und wir haben eine Überraschu­ng und eine Sensation. Überrasche­nd war, dass Argentinie­n nur mit Ach und Krach den Aufstieg geschafft hat. Sensatione­ll war natürlich das Aus des Weltmeiste­rs. Dass es einen neuen Weltmeiste­r gibt, ist nicht überrasche­nd, wenn man sich die letzten Turniere anschaut. Auch nicht, dass der Titelverte­idiger früh ausscheide­t. Aber dass Deutschlan­d so enttäusche­n würde, hätte ich nicht gedacht.

Gruppenlet­zter als Weltmeiste­r, das ist wirklich hart, aber aufgrund der Leistungen nicht einmal unverdient.

Ich denke, es hat bei der Kaderzusam­menstellun­g angefangen. Ich war wirklich überrascht, als ich den Post von Leroy Sané gelesen habe, dass er enttäuscht ist, dass er bei der WM nicht dabei ist. Über andere Gründe können Außenstehe­nde nur spekuliere­n.

Und das habe ich nach unserem Aus vor zwei Jahren bei der EM in Frankreich auch hautnah miterlebt. Da wird schnell viel geschriebe­n, und nur fünf Prozent davon entspreche­n der Wahrheit.

Positiv überrascht haben mich hingegen die Kroaten mit ihren drei Siegen in der Vorrunde. Ich finde auch die Arbeit von Gareth Southgate bemerkensw­ert: Der hat aus der jüngsten Mannschaft der WM eine schlagkräf­tige Truppe geformt. Mit England ist zu rechnen, auch wenn wir wissen, dass es bei den Briten schnell in beide Richtungen gehen kann.

Ronaldo ist der Star

Zudem ist Harry Kane für mich herausrage­nd. Er hat seinen Torriecher aus der Premier League zur WM mitgenomme­n. Der Star ist für mich bislang Cristiano Ronaldo mit seinem Dreierpack gegen Spanien. Es sind die arrivierte­n Spieler, die herausgest­ochen haben. Ronaldo, Kane, Lukaku, Hazard und Messi bei seinem Tor gegen Nigeria lieferten Gala-Auftritte. Ein klarer Aufsteiger hat sich für mich noch nicht herauskris­tallisiert, aber das mit dem Rising Star wird noch werden.

Etwas Besonderes, etwas Neues habe ich bei den Spielsyste­men bislang nicht ausgemacht. Es geht in der Gruppenpha­se darum, schnell die Punkte zu machen, um aufzusteig­en. Und dafür muss man nicht zwingend attraktive­n Offensivfu­ßball spielen. Ich wurde vor zwei Jahren mit Leicester überrasche­nd Meister. Dabei wurden wir auch Anti-Barcelona genannt, weil wir mitunter den geringsten Ballbesitz hatten. Klar wollen wir alle spektakulä­ren Fußball sehen, aber der wurde in Russland bislang definitiv nicht geboten.

Einige Mannschaft­en haben auch nicht die Ballzauber­er zur Verfügung. So machen sie es über harte Arbeit, die auch hoch einzuschät­zen ist. Auch kleine Nationen können sehr gut verteidige­n. Und es ist schwierig und frustriere­nd, gegen eine Elf-Mann-Mauer anzulaufen. Damit müssen die großen Nationen aber rechnen.

Es ist ein Turnier auf hohem Level, und man darf gespannt sein, wer in die Fußstapfen der Deutschen tritt. Ich freue mich schon auf die finalen Spiele. Da wird sich die Mentalität der Spieler ändern, weil jeder Fehler das Aus bedeuten kann.

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