Kurier

Löw, der Sündenbock

- PHILIPP ALBRECHTSB­ERGER philipp.albrechtsb­erger@kurier.at

Juni 2017, Kasan: Nachdem ein deutsches B-Team den Confed-Cup gewonnen hatte, stellte sich die Frage: Wer soll Deutschlan­d bloß schlagen? Ein Jahr später erhielt man – ebenfalls in Kasan – die nicht für möglich gehaltene Antwort: Südkorea.

Am Tag danach herrschte im Land des Ex-Weltmeiste­rs eine Mischung aus Entsetzen, Trauer und Wut. Während einige mit zahllosen Statistike­n (kein Team gab mehr Schüsse ab als das deutsche) und mit Psychogram­men der gefallenen Helden das Unfassbare greif bar machen wollen, sucht die Mehrheit unter Mithilfe der scharfzüng­igen Legenden nach Schuldigen (Özil, der DFB, Löw).

Der Teamchef scheint sämtlichen Kredit verspielt zu haben. Was lange gefeiert wurde (Linientreu­e, Zusammenha­lt, Spielidee), wird nun verteufelt. Das wird Löws Arbeit nicht gerecht. Bei sechs großen Turnieren hat er fünf Mal mindestens das Halbfinale erreicht und dabei nie auf das Essenziell­e vergessen: seine Mannschaft Fußball spielen zu lassen.

Ob es eine letztgülti­ge Erklärung geben kann für das uninspirie­rte WM-Auftreten, ist unwahrsche­inlich. Kleinigkei­ten mögen Fußballspi­ele entscheide­n, das große Ganze lässt sich damit nicht erklären. Und wer in Deutschlan­d Kasan 2018 bereits mit Córdoba 1978 gleichsetz­t, der sollte auf Ernst Baumeister hören. Der hat das Getue um den 3:2-Sieg nie recht verstanden: „Wir haben bloß Deutschlan­d geschlagen, die damals nicht einmal so gut waren.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria