Umziehen im Spital kostet Millionen
Klinikpersonal darf sich laut OGH in der Dienstzeit umkleiden. Das führt zu einem neuen Gehälterstreit
Ein Entscheid, den der oberste Gerichtshof (OGH) gerade gefasst hat, klingt zunächst harmlos. „Umkleidezeiten in Krankenanstalten sind Arbeitszeit“, stellte er in einem Streit zwischen den NÖ Landeskliniken und dem Betriebsrat fest.
Dieses Urteil löst in der Spitalslandschaft ein mittleres Erdbeben aus. Denn die Umsetzung dieses Urteils wird allein die Erhalter der Landeskrankenhäuser in mehreren Bundesländern voraussichtlich etliche Millionen Euro pro Jahr kosten.
Die Zeit, die ÄrzteundPflegekräfte zum Umziehen und für den Weg zu den Garderoben benötigen, ist als Arbeitszeit abzugelten. Im konkreten Fall betrugen alleine die Wegzeiten bis zu 23 Minuten (siehe Artikel unten).
15 Millionen pro Jahr
Bei einer Vielzahl an Mitarbeitern geht das für die Spitalserhalter ins Geld. Gerhard Hödl, Betriebsrat bei den Tirol Kliniken, hat für die Landeskrankenhäuser in seinem Bundesland bereits eine Rechnung angestellt. Er schätzt, dass rund 4000 Mitarbeiter zu entschädigen sind. „Die jährlichen Mehrkosten dürften sich auf rund 15 Millionen Euro belaufen“, sagt Hödl.
Wird das Umziehen als Zeitgutschrift verbucht, hätte jeder betroffene Mitarbeiter künftig Anspruch auf Zusatzurlaub von 1,5 bis 2,5 Wochen. In der Folge müssten 200 bis 300 neue Kräfte eingestellt werden, um das abzufangen, erklärt der Betriebsrat. Aber auch eine finanzielle Abgeltung in Form einer Pauschale kostet natürlich.
Wie schwer diese 15 Millionen Euro wiegen, zeigt das Paket, dass das Land Tirol vor zwei Jahren geschnürt hat, um den Streit über die Anhebung der Grundgehälter für Ärzte und Pflegekräfte zu beenden. Nach eineinhalb Jahren Verhandlungen löste Tirol als letztes Bundesland diesen Konflikt und bezahlt nun jährlich 23,7 Millionen Euro mehr.
Die neuen Forderungen lassen das Management der Tirol Kliniken schlucken: „OGH-Urteile sind umzusetzen. Aber bei dieser potenziellen Dimension wird es keinenHüft schuss geben “, sagt Personaldirektor Markus Schwab. Er will nun erst einmal den Ist-Stand erheben.
Ultimatum
Betriebsrat Hödl stellt indes bereits ein Ultimatum. Er will noch in dieser Woche einen Verjährungsverzicht von den Tirol Kliniken, damit die Mitarbeiter nach einem Verhandlungsergebnis auch rückwirkend die ihnen zustehenden Vergütung bekommen. In Salzburg fordert der Betriebsrat der Landeskliniken einen einwöchigen Sonderurlaub als Ausgleich. In Vorarlberg hat Thomas Steurer, Betriebsrat der dortigen Landeskrankenhäuser am Donnerstag den Aufsichtsrat über das OGH-Urteil informiert. „Das wird sicher Millionen kosten“, sagt auch er und fordert eine Stechuhr bei den Garderoben, damit das Umziehen in die Arbeitszeit eingerechnet wird.
In der Steiermark gibt es die bezahlte Mittagspause bereits. „Darum sehe ich bei uns keinen Handlungsbedarf“, sagt Michael Tripolt, Betriebsrat der st eier märkischen Krankenhaus gesellschaft( K AG ES ). Nach erst kürzlich erfolgter Anhebung der Gehälter müsse man „mit Maß und Ziel vorgehen“.
Auch in Kärnten hat sich die Gehaltsspirale zuletzt nach oben gedreht und „Zuckerln“wie die erwähnte Pausenregelung gibt es ebenfalls – dennoch sind Betriebsrat und K AB EG-Vorstand aufKon fron tat ions kurs: K AB EG-Chef Arnold Gabriel will das OGHUrteil „kostenneutral umsetzen. Und ich sehe auch keine Notwendigkeit der Personal aufstockung, denn wir liegen bei Gehältern, Zulagen und Urlaubs regelungen bundesweit im Spitzen feld .“
Handlungsbedarf hat auch der Wiener Kranken anstalten v er bund(KAV)mits einen 30.000 Mitarbeitern. Mit einer Ausnahme (Rudolfstiftung) zählen die Umkleidezeiten hier nicht zur Arbeitszeit. „VomKAVw erden die erforderlichen Abstimmungsge spräche zur rechts konformen Umsetzung natürlich erfolgen“, sagt ein Sprecher. Welche Kosten dadurch entstehen, lasse sich noch nicht beziffern.