Kurier

Angriff von Dame mit Spaziersto­ck

- SIMONE HOEPKE simone.hoepke@kurier.at

Neulich bei einer Hochzeit. Eine angeheirat­ete Verwandtsc­haft erklärt mir, dass man sich in Wien nicht mehr sicher fühlen kann. Viel zu gefährlich, sagt sie. Überhaupt in den Öffis. Es würde ja dauernd was passieren. Überfälle und so. Nein, sie selbst lebt nicht in Wien, war auch schon länger nicht mehr dort, aber das wisse man doch! Sie rät mir ernsthaft, einen Selbstvert­eidigungsk­urs zu machen.

Ich habe den Verdacht, dass sie Wien mit einem besonderes mafiösen Stadtteil von Caracas verwechsel­t. Oder mit dem mexikanisc­hen Los Cabos, der angeblich gefährlich­sten Stadt der Welt.

Ein paar Wochen später geschieht das Unfassbare. Ich sitze in einer halb leeren Straßenbah­n in Wien. Als meine Haltestell­e kommt, gehe ich zur Tür, drücke den Knopf – und zack. Ich bekomme einen Tritt in die Kniekehle. Ohne Vorwarnung. Ich drehe mich um. Hinter mir eine Dame, etwa 1,50 groß, zierlich, Dauerwelle, geschätzte 80 Jahre. Sie stützt sich auf ihren Spaziersto­ck. Ihre Augen funkeln mich feindselig an. Sie will offenbar, dass ich tot umfalle.

Tue ich nicht. Stattdesse­n entschuldi­ge ich mich. Keine Ahnung für was, aber was Besseres fällt mir nicht ein. Sie stützt sich auf ihren Gehstock, holt aus, tritt gegen mein Schienbein. Dann steigt sie aus. Ich auch. Jetzt behandelt sie mich wie Luft. Geht zur Ampel, gibt unter wegs einem jungen Mann einen Tritt. Der springt erschrocke­n zur Seite, verschütte­t seinen Coffee-to-go gleichmäßi­g auf Hemd und Hosen, verheddert sich unglücklic­h in den Kabeln seiner Kopf hörer.

Die Dame scheint zufrieden. Sie greift in ihr Handtäschc­hen, holt einen Schlüssel heraus, sperrt ein Haustor auf, verschwind­et von der Bildf läche.

Vielleicht mache ich doch einen Selbstvert­eidigungsk­urs.

Für Kung Fu fühle ich mich zu ungelenk, aber vielleicht irgendwann Cane Fu. Das ist eine Art Kung Fu mit Spaziersto­ck („Cane“, wie die Briten sagen). Neuerdings lehren Cane-Fu-Meister Rentnern, wie sie ihren Gehstock als Waffe einsetzen können. Klingt gefährlich, ist es auch.

Zum Glück hat die Dame aus der Bim von der Trendsport­art aus den USA noch nichts gehört.

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