Kurier

Natur in der Kiste

Ungestümes Grün macht jede Terrasse schöner. An ein paar Regeln muss es sich dennoch halten

- VON AXEL N. HALBHUBER

Natur am Balkon ist an sich nicht natürlich – alles sitzt eingeteilt in Töpfen und Kisterln, keine Wurzel entkommt der Ordnung, Flugsamen und Zufallsgrü­n haben es schwer. Aber die Bio-Idee setzt sich durch und Jamie Oliver hat uns alle zu frech-unordentli­chen Selbstmach­ern erzogen, wir wollen wild sein und wir wollen mit der Natur arbeiten statt gegen sie.

Die Naturkiste auf Balkon oder Terrasse bringt das alles mit sich und noch etwas: weniger Arbeit. Wir müssen nicht jeden Tag Blüten zupfen oder kleinweise gießen, das viele Erdreich speichert besser. Das Düngen erleichter­t unser Leben sogar: Küchenabfä­lle und Blattwerk kann man einmischen – sprich: mulchen. Am besten setzt man Kompostwür­mer ein, sie fressen die Reste und ... verdauen. Der beste Dünger.

Es spricht einiges dafür, dasPfl anz gefäßselb erz um achen:a) Übergroße Töpfe und Tröge sind teuer. Aber b) Trotzdem oft hässlich. c) Sie sind nie in dem Maß verfügbar, das man für die vorhergese­hene Stelle braucht. Ihr Autor und Terrasseng­ärtner Axel – durchschni­ttlich handwerksb­egabt – hat sich daher selbst eine Naturkiste gebaut: Holzleiste­n, Schrauben, Teichfolie, Klammermas­chine. Unter hundert Euro, maßgeferti­gt, ansehnlich.

In Natur und entspreche­nder Kiste kommt es immer auf die Mischung an. In meiner Kiste darf der Weinstock gedeihen (was ihm bei 500 Liter Erdvolumen viel mehr Spaß macht als im Topf), Nutzpflanz­en, Blumen und Wildwuchs – bis zu den Brennnesse­ln: Was überall auf der Welt (außer in der Antarktis) wächst, darf auch in meine Kiste. Das vermeintli­che Unkraut zieht Schmetterl­inge an – ich habe Raupeneier entdeckt – und beschattet mein Gemüse. Die Kiste steht südseitig, daher braucht es den Schatten, sogar für sonnenhung­rige Nutzpflanz­en wie Chili und Paradeiser – erstaunlic­h übrigens, wie groß Paradeiser werden, wenn sie nicht nur kleinen Topf, sondern große Erde haben.

Womit wir bei der Zuwendung wären: Überlässt man die domestizie­rte Kist’lnatur vollkommen sich selbst, wird sie zum Ungetüm. Naturbeete brauchen öfter mal einen Handgriff, aber Gezupfe ist ja die eigentlich­e Liebe jedes Gartlers. Paradeiser mit so viel Boden muss man etwa regelmäßig ausgeizen (die Quertriebe aus den Blattachse­ln brechen) und anbinden, damit sie den reichen Ertrag halten – in meinem Fall auch an Sonnenblum­enriesen, die wild aufgingen. Ein hübscher Farbklecks im Nutzbeet, aber durstig. Wer Paradeiser und Sonnenblum­en in der Kiste hat, muss viel gießen.

Zwischen das große Grün darf auch mal ein Kopfsalat oder Radieschen – so lange die Wucherer noch Platz lassen. Naturbeet heißt immer Wandel, eine Pflanze rein, manchmal eine raus, wie Gäste, die vorbeischa­uen. So ist die Natur eben.

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Die Naturkiste ist selbst gemacht, die Mischung ist wild: Wein, Brennnesse­ln, Paradeiser, Salat, Blumen
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1 „Unkraut“. In die Naturkiste darf auch das: Brennnesse­ln ziehen Schmetterl­inge an, zeigen Bodenquali­tät, beschatten Früchte, sind in Küche und Düngung brauchbar.
1 1 „Unkraut“. In die Naturkiste darf auch das: Brennnesse­ln ziehen Schmetterl­inge an, zeigen Bodenquali­tät, beschatten Früchte, sind in Küche und Düngung brauchbar.
 ??  ?? 2 „Mist“. Chemische Dünger haben hier nichts zu suchen, durch das Einmulchen von Küchenabfa­ll und Grünschnit­t kommen Nährstoffe in die Erde. 2
2 „Mist“. Chemische Dünger haben hier nichts zu suchen, durch das Einmulchen von Küchenabfa­ll und Grünschnit­t kommen Nährstoffe in die Erde. 2
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4 „Fremdling“. Blumen sind in Nutzbeeten selten, dabei lockern sie das eintönige Grün auf und brauchen kaum Platz und Nährstoffe. Wichtig: Extra gießen!
4 4 „Fremdling“. Blumen sind in Nutzbeeten selten, dabei lockern sie das eintönige Grün auf und brauchen kaum Platz und Nährstoffe. Wichtig: Extra gießen!
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3 „Wucherung“. Nutzpflanz­en nach Lage wählen: Paradeiser brauchen etwa volle Sonne. Im großen Gefäß wuchern sie – also regelmäßig anbinden und auszupfen.
3 3 „Wucherung“. Nutzpflanz­en nach Lage wählen: Paradeiser brauchen etwa volle Sonne. Im großen Gefäß wuchern sie – also regelmäßig anbinden und auszupfen.
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