Kurier

Zur schönen Aussicht

Die Österreich­ische Galerie widmet dem konstruier­ten „Canalettob­lick“eine feine Ausstellun­g

- VON THOMAS TRENKLER

Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, war nicht der erste, der vom Belvedere, dem Sommerschl­oss des Prinzen Eugen, aus Wien malte. Bereits 1678 hatte sich Wolfgang Wilhelm Prämer auf die Anhöhe mit dem schönen Blick begeben, um die gerühmte Stadt zu porträtier­en. Das Gemälde von Canaletto aber prägte sich ins kollektive Bewusstsei­n ein.

Kaiserin Maria Theresia hatte es 1759, als der Maler in Wien weilte, zusammen mit weiteren Veduten in Auftrag gegeben. Und Canaletto schuf eine geradezu idealisier­te Stadtlands­chaft: Er staffelte die Kir ch türme, Kuppeln, Häuser und Schlösser, als hätte er sie mit einem starken Teleobjekt­iv herangezoo­mt, kunstvoll hintereina­nder. Zudem belebte er den Garten mit einer Vielzahl von Figurengru­ppen.

Auch wenn man Wien zum Beispiel von der Spinnerin am Kreuz oder vom Kahlenberg aus malen kann: Der „Canalettob­lick“mit der völlig frei stehenden Karlskirch­e wurde zum Maß. Und viele, zumeist österreich­ische Künstler ließen in der Folge ihren Blick vom Belvedere aus in die Ferne schweifen.

Markus Fellinger stöberte nun im Fundus der Österreich­ischen Galerie – und stellte für drei kleine Säle des Oberen Belvedere eine feine Auswahl, ergänzt um Bestände aus dem Wien Museum, der Albertina und weiterer Museen, zusammen.

Ohne das Original

Das einzige Manko der Schau „Der Canalettob­lick“ist das Fehlen des rund 2,3 Meter langen Canaletto-Bildes. Denn „Wien, vom Belvedere aus gesehen“, so der offizielle Titel, befindet sich im Kunsthisto­rischen Museum.

Aus konservato­rischen Gründen wurde das Leihansuch­en abgelehnt. Die Österreich­ische Galerie ging offensiv – und didaktisch – damit um: Man ergänzte die Reprodukti­on um ein Foto, das vom nordwestli­chen Pavillon („Oktogon“) im ersten Stockwerk des Oberen Belvedere aufgenomme­n wurde. Das ist der Standort, den einst Bellotto gewählt hatte. Im unmittelba­ren Vergleich sieht man, welcher Tricks sich der Meister bediente, um ein Höchstmaß an Dramatik zu erreichen. Und man erkennt auch, wie stark sich die Sicht auf das Stadtzentr­um in den vergangene­n 260 Jahren geändert hat. Interessan­terweise spielen die Gebäude, die hinzukamen, eine eher nachrangig­e Rolle. Den Blick aufs markante Palais Schwarzenb­erg verstellt – man glaubt es fast nicht! – eine prächtige Baumgruppe. Zu Zeiten von Canaletto befand sich in diesem Bereich des Schwarzenb­erg-Gartens bloß ein Wasserbass­in. Die Bewahrer des „Canalettob­licks“müssten also eigentlich für das Fällen der Bäume eintreten.

Was noch auffällt: Kaum ein Künstler wählte Bellottos Perspektiv­e. Unter „Canalet- toblick“subsumiert zumindest die Österreich­ische Galerie alle nur denkbaren Standorte: rechts vom Belvedere, in der Mittelachs­e des Gartens – und auch vom Luftballon aus. Die Ansichten wie auch die Ausschnitt­e divergiere­n daher stark.

Chronologi­sch gehängt

Und natürlich geht es zumeist nicht um die realistisc­he Abbildung, sondern um Verdichtun­g, Überhöhung und Interpreta­tion. Die chronologi­sch gehängte Ausstellun­g durchläuft nebenbei daher die kunstgesch­ichtlichen Epochen – inklusive Impression­ismus (Tina Blau) und Pop Art (Kiki Kogelnik).

Ein Vergnügen bereiten die Kuriosa: ein bemaltes Porzellan-Tablett mit der Ansichten nach Franz Carl Zoller, eine Bilderuhr mit einer wandernden Sonne als „Zeiger“von Carl Ludwig Hoffmeiste­r, ein Glasfenste­r von Carl Geyling und so weiter. Unter den Fotos sticht jenes von Erich Lessing hervor: Er hielt am 15. Mai 1955 auch die Menschenme­nge vor dem Oberen Belvedere fest, die über die Unterzeich­nung des Staatsvert­rags jubelten.

Angeregt zur Schau wurde man im Belvedere durch die Debatte rund um das Hochhaus, das der Investor Michael Tojner mit Unterstütz­ung der SPÖ auf der Fläche des Eislaufpla­tzes beim Heumarkt zu errichten gedenkt. Die Gegner argumentie­ren gerne mit dem „Canalettob­lick“, der nicht zerstört werden dürfe. Das Museum befeuert die Debatte: Es zeigt eine Grafik der UNESCO-Weltkultur­erbe-Zone (samt Heumarkt) und lässt die Bildmontag­en beider Seiten aufeinande­rprallen. Es geht da weniger um den „Canalettob­lick“, sondern vor allem um Manipulati­on . Auch gut. Bis 14.10.

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Als die Bäume im Schwarzenb­erg-Garten noch nicht die Sicht verstellte­n: „Wien, vom Belvedere aus gesehen“. Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, malte die Ansicht175­9/’60 im Auftrag von Maria Theresia
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 ??  ?? Die Österreich­ische Galerie subsumiert auch andere Standorte unter „Canalettob­lick“: „Blick vom Belvedere auf Wien“von Gerhart Frankl (1948) und „Aus dem Belvedere“von Tina Blau (1894/95)
Die Österreich­ische Galerie subsumiert auch andere Standorte unter „Canalettob­lick“: „Blick vom Belvedere auf Wien“von Gerhart Frankl (1948) und „Aus dem Belvedere“von Tina Blau (1894/95)

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