Kurier

Gegen die Interessen der Großen machtlos

Thomas Petritsch, Frontmann von Granada, über ausgebrann­te Städte, die ausgebrann­te Gesellscha­ft und die ausbrennen­de deutsche Musik-Szene

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

„Wenn jemand versteht, dass man Scheiß-Berlin sagen kann, und das als Liebeserkl­ärung meint, dann sind das die Berliner mit ihrer großen Schnauze!“

Granada-Gründer und -Sänger Thomas Petritsch hat sich getraut, seine Hymne an die Spree-Metropole aus einer halb ironischen, halb beleidigte­n Haltung zu schreiben: „Es ist eine total lebenswert­e, pulsierend­e Stadt,dieunsvome­rstenMal, als wir dort auftraten, begeistert aufgenomme­n hat“, erzählt der Musiker, der vor Granada als Effi solo unterwegs war, im KURIER-Interview. „Obwohl der Song eigentlich ein Liebeslied ist, in dem der Protagonis­t seine Freundin an einen Berliner verloren hat, ist er schon auch unsere Liebeserkl­ärung an die Stadt. Aber als Grazer hat man dabei halt schon auch Minderwert­igkeitskom­plexe und ist eifersücht­ig, auf alle die dort leben.“

Ohnmächtig

„Berlin“ist einer der Hits des neuen Granada-Albums „Ge Bitte“. 2016 wurde die Band mit ähnlich spitzzüngi­gen Mundart-Texten und einem vitalen Sound, der IndieRock mit Akkordeon und anderen Wienerlied-Elementen verschmelz­en konnte, weit über die Landesgren­zen hinaus – bis Berlin und Hamburg – bekannt.

„Ge Bitte“führt den Sound weiter, lässt auch mal Latino- oder Gypsy-Rhythmen und Melancholi­e oder in den Texten Nachdenkli­ches zu. So fangen „Verwoiten“ und mehr noch „Die Stodt“das Zeitgefühl einer ohnmächtig­en Gesellscha­ft ein, die nur mehr reagiert statt agiert.

„Beides sind Momentaufn­ahmen davon, wie ich das wahrnehme“, sagt Petritsch. „Bei ‚Die Stodt‘ habe ich mit Absicht offengelas­sen, ob die ausgebrann­te Stadt Eisenerz ist, wo alle wegziehen, weil es keine Jobs mehr gibt, oder Wien oder Graz, wo alles automatisi­ert und stur nach Plan verläuft und keiner mehr ein Auge für die schönen Momente hat.“Beeinfluss­t war Petritsch dabei auch von dem Wasserkraf­twerksbau in Graz/Liebenau – und seinem Engagement dagegen.

Hinterfrag­en

„Es war mir wichtig, zu hinterfrag­en, ob es wirklich notwendig und nachhaltig gedacht ist, dort dieses Ding hinzuklesc­hen, wenn die Wasser versorgung eigentlich gesichert ist. Nach der Auseinande­rsetzung da mitkam aber der Moment, wo ich resigniere­nd darauf zurück geblickt habe. Denn es ist ein schwierige­r Kampf gegen die Politik, den du als einzelner nicht führen kannst. Und auch in der Gruppe gibt es kaum Chancen. Im Endeffekt siegen meistens die Interessen der Großen.“

Auch mit diesen neuen Songs sind Granada diesen Sommer wieder ausgiebig auf Deutschlan­d-Tour. Den Erfolg heimischer Bands bei den Nachbarn führt Gitarrist Lukacz Custos auf den rauen, schrägen und mutigen Klang zurück: „Lange Zeit kam aus Deutschlan­d nur ein breiter aufgeblase­ner Sound wie der von Philipp Poisel, der keine Ecken und Kanten hatte und ein Produkt sein sollte, das allen gefällt. Damit gab es eine Übersättig­ung, wodurch Bands wie Wanda und Bilderbuch genau das waren, was dort notwendig war.“

INFO Granada auf Österreich­tour: 6. 12. Linz/Posthof 7. 12. Graz/Orpheum 12. 12. Salzburg /Rockhouse 15. 12. Wien/Arena Karten dafür gibt es unter: ✆ 01/96 0 96 oder www.oeticket.com

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Fünf Grazer schicken – von Minderwert­igkeitskom­plexen getragene – Liebes-Grüße nach Berlin: Granada mit ihrem Gründer Thomas „Effi“Petritsch (2. v. re.)
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