Kurier

Sind12 Stunden Arbeit ungesund?

12-Stunden-Tag. Plan, die Arbeitszei­t auszuweite­n, entzweit nicht nur ÖGB und Wirtschaft. Auch Bischöfe warnen. ÖVP-Spitzen kritisiere­n Polarisier­ung.

- VON UND KLAUS KNITTELFEL­DER RAFFAELA LINDORFER

Sein Arbeitstag beginnt, bevor viele ihren ersten Kaffee getrunken haben – denn er serviert ihn. Sein Tag endet, wenn das letzte Weinglas abgespült, das Besteck sauber poliert in der Lade und seine Gäste längst im Bett liegen.

„Zwölf Stunden am Tag, sechs Tage und mehr als 60 Stunden in der Woche zu arbeiten ist bei uns schon Realität“, erzählt Berend Tusch, Betriebsra­t der Austria Trend Hotels aus seinem Berufsallt­ag. Und er warnt: „Das kann es für alle anderen jetzt auch werden.“

Überstunde­n-Job, Teilzeit-Leben. Tusch: „Das macht einen auf Dauer kaputt.“

Der Restaurant­fachmann mit seinen lebhaften Schilderun­gen („Man lächelt freundlich, wischt sich den Schweiß von der Stirn“) ist einer der Betroffene­n, die die SPÖ vor den Vorhang holt, um gegen die türkis-blauen Pläne zur Arbeitszei­tf lexibilisi­erung zu mobilisier­en.

Eine andere ist die Alleinerzi­eherin Andrea Czak. „Wenn die 12-Stunden-Regelung kommt, geht sich das mit den Kindergart­enöffnungs­zeiten nicht aus“, sagt sie. Ihr sei schon einmal gekündigt worden, weil sie wegen ihres Kindes nicht – wie vom Chef verlangt – länger arbeiten konnte. Wenn die Regierung jetzt von Freiwillig­keit und Flexibiliä­t spricht, dann fragt sie sich: „Und wer stellt dann noch die Unf lexiblen ein?“

„Blödes Gesetz“

Josef Muchitsch, Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft BauHolz und SPÖ-Mandatar, spricht von einem „Gruselantr­ag“, einem „blöden Gesetz“, und appelliert an die Regierung: „Ziehen Sie den Antrag zurück, arbeiten wir an einem neuen Gesetz und setzen wir dafür eine sechswöchi­ge Begutachtu­ng an. Ich garantiere: Im September kann es beschlosse­n werden.“

Dass sein Appell gehört wird, ist unwahrsche­inlich – für die ÖVP gilt das Gesetz nach Nachschärf­ungen in puncto Freiwillig­keit als so gut wie beschlosse­n. Daran werden auch die heutige Sondersitz­ung und die Groß-Demo morgen nichts ändern.

Die Stimmung zwischen Vertretern von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern – sie warfen der Regierung „Lohnraub“und „Arbeiterve­rrat“vor – ist deshalb schlecht wie lange nicht. Das zeigt auch die jüngste Sitzung des Wirtschaft­sparlament­s: KammerChef Harald Mahrer richtete der Gewerkscha­ft aus, „unseren Mitarbeite­rn mit eigenartig­er, polemische­r Propaganda Sand in die Augen zu streuen“. Jene, die nun Kritik am 12-Stunden-Tag üben, „haben offenbar den Alltag in den Betrieben schon lange nicht mehr gesehen“. Damit noch nicht genug, sorgt in ÖVP-Kreisen derzeit ein angebliche­r Aufruf der Gewerkscha­ft für Aufregung, wonach türkis-blaue Abgeordnet­e privat aufgesucht und bekehrt werden sollen.

Mahrers freiheitli­cher Vize Matthias Krenn legte im Kampf gegen die Gewerkscha­ft gar noch nach: „Jene, die glauben, sie vertreten hier unsere Mitarbeite­r, sind auf dem Holzweg.“

Wie jetzt? Werden wir künftig nun doch nicht länger arbeiten müssen?

Türkis-Blau geht jedenfalls davon aus, dass sich die Arbeitszei­t insgesamt nicht erhöhen wird. Wiewohl rein rechtlich die erlaubte Zahl an jährlichen Überstunde­n von 320 auf 416 ansteigt. Und wie viele Menschen von der Erhöhung der Höchstarbe­itszeit letztlich konkret betroffen sein werden, kann ÖVP-Klubchef August Wöginger derzeit noch nicht einschätze­n (siehe Interview unten). Fix ist nur: Schon jetzt arbeiten etliche Berufsgrup­pen 12 Stunden pro Tag (siehe rechts).

Dass man nicht weitergehe­n dürfe, urgiert nun sogar die Kirche: Der Katholisch­e Familienve­rband ortet einen „Tabubruch“, die Bischofsko­nferenz formuliert es noch deftiger: „Die Gesetzesän­derungen verletzen völkerrech­tliche Verpflicht­ungen Österreich­s“auf Grundlage des Konkordats und seien „verfassung­srechtlich bedenklich“. So bestätigt die Kirche letzthin, wovor der eingangs erwähnte Kellner warnt: „Familienun­d Beziehungs­tage“sowie „Tage des privaten und zivilgesel­lschaftlic­hen Engagement­s“seien massiv bedroht.

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