12-Stunden-Tag im Streitgespräch
Konfrontation. Kdolsky gegen Mörwald
Andrea Kdolsky ist Ex-ÖVPMinisterin. Toni Mörwald zählt zu den bekanntesten Gastronomen des Landes und ist im ÖVP-Netzwerk stark verankert. Wenn es aber um den 12-StundenTag geht, dann wird es zwischen den beiden Gesinnungsgenossen sehr emotional im KURIER-Streitgespräch. Während sich der Unternehmer Toni Mörwald freut, dass der 12-StundenTag schon ab September 2018 gilt, ortet Kdolsky bei der Vorgehensweise der Regierung „demokratiepolitisch große Bedenken“. Sie meint, ÖVP und FPÖ sollen „das Kind beim Namen nennen“. Denn in „Wahrheit“gehe es nur um die „Entmachtung der Gewerkschaft“. Kdolsky wirft der Regierung vor, auf Geheiß der Industriellenvereinigung zu handeln.
Die eine war ÖVP-Gesundheitsund Familienministerin. Der andere ist einer der bekanntesten Gastronomen des Landes, den man guten Gewissens dem ÖVP-Netzwerk zurechnen kann. Wenn es aber um den 12-StundenTag geht, dann fliegen die Fetzen zwischen den beiden Gesinnungsgenossen. Für den KURIER verfolgten Andrea Kdolsky und Toni Mörwald die Parlamentsdebatte über den 12-Stunden Tag.
Kdolsky ist zwar für eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, aber nicht ohne die Einbindung der Sozialpartner. Gastronom Mörwald ist froh, wenn der 12-Stunden-Tag schnell kommt. Hier die besten Passagen der lebhaften Diskussion zwischen der ExMinisterin und dem Haubenkoch.
– Über den vorgezogene n Starttermin 1. September 2018: Andrea Kdolsky: Wenn die Opposition wirklich nichts von dem neuen Einführungsdatum 1. September 2018 wusste, dann ist das ein sehr fragwürdiges Vorgehen, wo der Nationalratspräsident handeln müsste.
Toni Mörwald: Umso schneller das Gesetz kommt, desto besser. Auch die Mitarbeiter wünschen sich mehr Flexibilität, denn die meisten Menschen arbeiten gerne, weil es ihnen ein „Flow-Gefühl“gibt. Was ist daran schlimm, wenn sich Leistung lohnt? Das ist ein positives Wertgefühl. Sag’ mir was du arbeitest und ich sag ’ dir, wer du bist.
– Über den 12-StundenTag: Kdolsky: Ich bin Medizinerin. Faktum ist, man kann sich nicht zwölf Stunden lang konzentrieren. Zahlreiche Studien beweisen, dass es negative gesundheitliche Auswirkungen hat, wenn man über einen längeren Zeitraum zwölf Stunden pro Tag arbeitet. Das habe ich als Spitalsärztin selbst gespürt. Noch fünf Jahre nachdem ich den Spitalsjob aufgegeben hatte, litt ich an Schlafstörungen. Es gibt zweifellos Spitzenzeiten, wo 12-StundenTage notwendig sind. Doch der Betriebsrat sollte nicht ausgeschaltet werden. Denn es braucht jemanden, der die Schwächsten verteidigt. Ich habe das Gefühl, dass die Regierung hier einen Wunsch der Industriellenvereinigung erfüllt, der die Betriebsräte ein Dorn im Auge sind. Mörwald: Eines muss man festhalten: dass Arbeit die Ernährung der Menschen ist. Wenn ein Arbeitnehmer freiwillig mehr arbeiten will, dann sollte das sein gutes Recht sein und er sollte vom Gesetz nicht daran gehindert werden. Ich verstehe auch nicht, wenn die Gewerkschafter im Parlament die vollen Auftragsbücher dämonisieren.
– Über Polemik im Parlament: Kdolsky: Da ist auch viel Dramaturgie dabei. Aber man spürt natürlich, dass die beiden Regierungsparteien mit dem Initiativantrag über ein heikles Thema drüberfahren wollen. Ein Initiativantrag wird eigentlich nur bei Anlassgesetzgebung verwendet, um schnell reagieren zu können. Das ist eine befremdliche Vorgehensweise und demokratiepolitisch bedenklich. Mörwald: Der FPÖ hat man in der Opposition oft Populismus vorgeworfen, was aber die SPÖ beim 12-StundenTag macht, ist eine Stufe darunter. Sie schürt Ängste, die nicht notwendig sind. Denn im Wesentlichen wird sich nicht viel ändern. Das enttäuscht mich sehr. Auch im Plan A gibt es den 12-Stunden-Tag. Die Gewerkschaft demonstriert gegen Maßnahmen, die sie vielerorts schon selber eingeführt hat.
– Über die Freiwilligkeit: Kdolsky: Die Freiwilligkeit wird es nicht geben. Der Druck wird sich erhöhen. Das muss nicht immer eine Kündigung sein. Das geht auch, indem man jene, die den 12Stunden-Tag ablehnen, bei Bonifikationen übergeht. Ich will nicht, dass künftig Mitarbeiter als faul abgestempelt werden können, wenn sie keine zwölf Stunden pro Tag arbeiten wollen oder können. Mörwald: Es bleibt ja im Prinzip beim Acht-Stunden-Tag. Man soll das Thema nicht zu sehr hochkochen. Die Freiwilligkeit wird es geben. Ich habe in meinem Unternehmen Mitarbeiter, die 15, 20,
30 oder 40 Wochenstunden arbeiten wollen. Jeder wählt sich das selbst. Im Tourismus sind wir über jeden arbeitswilligen Mitarbeiter froh. Denn es gibt in der Branche 100.000 freie Jobs.
- Über Frauen als Verlierer: Kdolsky: Man kann nicht die Arbeitszeit erhöhen und gleichzeitig den Ausbau der Kinderbetreuung stoppen. Das ist zynisch. Wir wollen eine höhere Geburtenrate in Österreich. Mit diesen Rahmenbedingungen kommt sie sicher nicht zustande. Mörwald: Wie gesagt, es bleibt ja der Acht-Stunden-Tag. Deswegen sollte die Vereinbarkeit kein Problem sein.
– Über die Entmachtung der Betriebsräte:
Kdolsky: Man soll das Kind beim Namen nennen. Denn den 12-Stunden-Tag kann heute jedes Unternehmen über die Betriebsvereinbarung installieren. Dafür braucht man das neue Gesetz nicht. In Wahrheit geht es um die Entmachtung der Betriebsräte. Aber es sind nicht alle Arbeitgeber gut. Warum werden gegen die Handelsketten dauernd Prozesse geführt? Weil es die Betriebsräte gibt. Die Kassiererinnen haben ein niedriges Bildungsniveau. Diese Menschen brauchen Hilfe, wenn es um ihre Arbeitsrechte geht. Das können sie nicht alleine. Mörwald: In Österreich gibt es für den Tourismus neun verschiedene Kollektivverträge. Das ist absurd. Ein Kellner darf in Niederösterreich 50 Stunden pro Woche arbeiten und am Arlberg 56 Stunden. Die Sozialpartnerschaft hatte 30 Jahre lange Zeit, das zu vereinheitlichen: Warum hat sie es nicht getan?