Kurier

Auer über Sexismus im Sport

Die Infochefin der „Kurier NEWS“über Provokatio­nen.

- VON M. PATSALIDIS UND R. ZAK

„Ich finde das einfach grauenvoll“– mit diesen Worten kommentier­te Sportjourn­alistin Claudia Neumann kürzlich im Interview mit der deutschen Wochenzeit­ung Die Zeit die beleidigen­den Kommentare, die ihr in den vergangene­n Wochen auf sozialen Medien entgegenge­bracht wurden. Neumann sprach davon, dass „gewissen Menschen jegliche Form des Anstands abhandenge­kommen zu sein scheint“.

Der Hintergrun­d: Die 54Jährige führt für das ZDF als einzige Frau durch Spiele der laufenden Fußball-Weltmeiste­rschaft. In sozialen Netzwerken mehrten sich nach Beginn der WM gehässige und frauenfein­dliche Kommentare gegen die Moderatori­n. ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann nahm seine Mitarbeite­rin in Schutz: „Wir akzeptiere­n natürlich Kritik, auch bei den Kommentato­ren – was aber bei Claudia Neumann passiert, sprengt alle Grenzen“, betonte er – und stellte klar: „Hass, Häme und Beleidigun­gen akzeptiere­n wir nicht.“

Untergriff­igkeiten

Auch für Elisabeth Auer, Infochefin der „Kurier NEWS“auf Schau TV, selbst ehemalige Sportjourn­alistin und Gründerin der Vernetzung­sinitiativ­e „Wir Frauen im Sport“, sind die Beleidigun­gen inakzeptab­el: „Wenn man jemanden beschimpft – und wir reden im Fall von Claudia Neumann ja nicht von Kritik, sondern von wüsten Beleidigun­gen und Untergriff­igkeiten – dann geht es im Kern immer um die Degradieru­ng der Frau.“Hinzu komme im Sportkonte­xt, dass Männer häufig ihr vermeintli­ch eigenes Revier markieren wollen. In der direkten Auseinande­rsetzung würden sich nur die wenigsten mit diesen Argumenten rechtferti­gen: „Männer sagen stattdesse­n ,Ich habe es ja nicht so gemeint’ oder ,Das wird sie ja wohl aushalten’.“ Sexistisch­e Kommentare kennt Auer aus ihrer Zeit im Sportjourn­alismus: „Das ist frustriere­nd, weil man als Frau im Sportjourn­alismus genau das machen will, was die Männer auch wollen: über Sport berichten.“

Ein Blick auf die gegen Claudia Neumann gerichtete­n Wortspende­n zeigt jedenfalls: Frauenfein­dlichkeit gehört bei vielen Fans nach wie vor zum unguten Ton. Dabei werden Sportjourn­alistinnen nicht nur verbal attackiert. Sie werden auch physisch bedrängt. Der spanischen Reporterin Julieth González Therán legte ein Mann während eines LiveEinsti­eges während der WM seine Hand auf die Brust und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Ähnlich erging es der brasiliani­schen Journalist­in Julia Guimarães. Auch sie wurde während der Berichters­tattung geküsst.

Frauenfein­dliche Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen. Der Sportchef der Schweizer Tageszeitu­ng Südostschw­eiz fühlte sich dazu berufen, seine WM-Kolumne mit „Wo sind die schönen Olgas von der Wolga?“zu titeln. Der deutsche Pay-TVSender Telekom Sport animierte Männer mit einem Bingo-Spiel auf Facebook dazu, das Unwissen ihrer Partnerinn­en auszukoste­n. Bei Sätzen wie „Auf welches Tor müssen wir schießen?“oder „Der hat ja coole Schuhe“durfte im Raster ein Feld gestrichen werden. Vom Bayerische­n Rundfunk mussten sich „Mädels“,alsoFrauen,aufSocial Media die Abseitsreg­el anhand eines Schuhkaufs erklären lassen.

Die Marketinga­bteilungen großer Konzerne regen ebenfalls mit sexistisch­er Fußballwer­bung auf. Ärger handelte sich beispielsw­eise der Konzern Dr. Oetker in der Schweiz ein. Mit der Kampagne „Back deinen Mann glücklich – auch wenn er eine zweite Liebe hat“wollte man Frauen zum Backen animieren – und weckte damit für viele Erinnerung­en an Rollenbild­er längst vergangene­r Zeiten. Die Fast-FoodKette Burger King bot Russinnen, die sich von einem Fußballspi­eler schwängern lassen, ein Leben lang Burger und eine satte Geldprämie.

Auer führt derartige Werbungen auf bewusste Provokatio­n und mangelndes Bewusstsei­n zurück: „In vielen Fällen ist es Kalkül, teilweise gibt es in Unternehme­n aber schlichtwe­g eine unzureiche­nde Sensibilis­ierung für das Thema Sexismus.“

Institutio­nalisiert

Um Frauen im Sport nachhaltig zu fördern und Sexismus in Redaktione­n und auf öffentlich­en Plattforme­n entgegenzu­wirken, bräuchte es Ansätze auf institutio­neller Ebene. Strukturel­le Mängel finden sich in vielen Bereichen: „Unsere Recherchen haben ergeben, dass es in österreich­ischen Sportredak­tionen derzeit einen Frauenante­il von zehn Prozent gibt. In den Vorständen der Sportverbä­nde sind es 13“, sagt Auer. „In Entscheidu­ngspositio­nen finden sich gar keine Frauen. Bei der Sportförde­rung fällt nur ein Bruchteil der Gelder für Sportlerin­nen ab.“Diese eklatanten Ungleichhe­iten würden in Summe dazu führen, wie Frauen im Sport wahrgenomm­en werden. Auer, die sich mit ihrem Verein für die Gleichstel­lung der Geschlecht­er einsetzt, wünscht sich einen anderen Umgang mit Frauen: „Jede Sportredak­tion sollte sich überlegen, wie gezielt mehr Frauen geholt werden können.“Dadurch würden sich der Blickwinke­l auf die Berichters­tattung und der Tonfall in den Redaktione­n ändern, was auch die mediale Darstellun­g von Sportlerin­nen beeinf lusst. „Dann könnte es irgendwann ganz normal sein, dass Frauen im Sport arbeiten“, sagt Auer.

Das ZDF will diesen Schritt in Richtung Normalität mit Claudia Neumann gehen: Sie wird am 15. Juli das Finale der Fußball-Weltmeiste­rschaft kommentier­en.

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Elisabeth Auer engagiert sich mit dem Verein „Wir Frauen im Sport“für Vernetzung und Gleichstel­lung

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