Plötzlich beste Freunde
Neue Weltordnung. Trump und Putin rücken zusammen – Schock für viele Republikaner und für Europa
Gegen Ende des gemeinsamen Auftritts spielten sie einander buchstäblich einen Ball zu. Putin schoß einen WM-Fußball zu Trump und der leitete ihn etwas tollpatschig zu Ehefrau Melania weiter. Fast spiegelbildlich aber verlief auch das politische Zusammenspiel der beiden Staatschefs nach ihrem Gipfeltreffen in Helsinki. Nach etwa zwei Stunden Gespräch und einem gemeinsamen Essen hatten sie in den entscheidenden Fragen der Weltpolitik wenig zu bieten. So versprach man beim Thema Syrien lediglich verwaschen „gemeinsames Engagement“, um den Menschen zu helfen. In gewohnter Weise bewarb Trump den Erfolg des Treffens trotzdem. Zuvor seien die Beziehungen „so schlecht wie nie zuvor“gewesen. Nach vier Stunden aber hätte sich das „geändert“.
Wirklich konkret und beängstigend geschlossen gaben sich Trump und Putin lediglich bei einem Thema: Den inzwischen sogar in den USA zur Anklage gebrachten Vorwürfen illegaler russischer Einflussnahme auf die US-Politik, insbesondere den Wahlkampf 2016. Putin wiederholte erneut entschieden, dass seine Regierung damit nichts zu tun habe. Russland sei ein demokratischer Staat und man solle das durch Zusammenarbeit der Gerichte und Behörden klären. Die US-Ermittler sollten einfach konkrete Anfragen stellen und könnten sogar nach Russland kommen. Zynisch kommentierte er auch die Arbeit der US-Geheimdienste: „Ich habe ja selbst beim Geheimdienst gearbeitet und ich weiß, wie man solche Berichte umschreibt.“
Trump wiegelt ab
Der US-Präsident wollte gleich gar nicht konkret auf die jüngsten ErmittlungsergebnisseüberrussischeGeheimdienstaktivitäten eingehen, sondern wischte sie einfach mit Allgemeinplätzen vom Tisch. Es seien beide Länder „dumm“gewesen und daher beide dafür verantwortlich zu machen, was passiert sei. Mit seinem Wahlkampf – auch diese Anschuldigungen werden seit Monaten erhoben – habe es auf jeden Fall „keinerlei Berührungspunkte“gegeben.
Sehr allgemein, aber positiv beurteilte auch Putin den Gipfel und die Gespräche mit dem Mann, den er mehrmals salopp Donald nannte. Der Gipfel sei, meinte der Kremlchef, der erste Schritt für eine Verbesserung der Beziehungen. „Natürlich bleiben viele Probleme, und wir konnten nicht alle Blockaden auflösen“, sagte Putin, aber: „Ich denke, wir haben einen wichtigen ersten Schritt in diese Richtung gemacht.“
Putin sagte, es sei an der Zeit, die Zusammenarbeit etwa im gesellschaftlichen und kulturellen Bereich zu stärken. Zudem erklärte er, Moskau und Washington könnten bei der Regulierung der Energiemärkte enger kooperieren. Als große Öl- und GasFörderer seien beide nicht interessiert an hohen Preisen. Dass Trump, noch kurz vor dem Gipfel, die russisch-deutschen Pläne für eine neue GasPipeline als „russische Gefangenschaft für Deutschland“bezeichnet hatte, war in Helsinki auch kein Thema mehr. Man sei lediglich Konkurrenten auf dem europäischen Markt, betonte Trump, um dann gleich noch Lob für Putin hinterherzuschicken: „Er ist ein guter Mitbewerber.“Das Thema Europa ließen die beiden ansonsten konsequent links liegen.
Nukleare Abrüstung
Das Gespräch ging Putin zufolge auch um internationale Krisenherde. Für eine effektive Zusammenarbeit in Syrien seien alle Bedingungen gegeben. Die Fortschritte im Nordkorea-Konflikt seien zum großen Teil auf Trumps Engagement zurückzuführen. Zum Atomabkommen mit dem Iran sei den USA die russische Position bekannt. Im Ukraine-Konflikt sollten die USA die Regierung in Kiew überzeugen, sich an das Minsker Abkommen zu halten. Beim ebenfalls heiklen Thema der Anerkennung der illegalen Krim-Annexion durch die USA, betonte Putin, dass Trump auf der offiziellen US-Linie geblieben sei. Zuvor hatte es ja von vielen Seiten große Sorgen gegeben, Trump könnte Putin beim Thema Krim entgegenkommen. Man sei, betonte der russische Präsident, lediglich einig, sich nicht einig zu sein.
Putin hat den USA einen neuen Dialog über Fragen der atomaren Rüstungskontrolle vorgeschlagen. Russland und die USA als größte Atommächte der Welt stünden in einer besonderen Verantwortung, sagte Putin nach dem Gipfeltreffen. Dabei könnte es um eine Verlängerung des New-Start-Vertrages gehen, sagte der Kremlchef. Der Vertrag begrenzt die Zahl von Trägersystemen und Sprengköpfen und läuft 2021 aus. Besorgt äußerte sich Putin über die Raketenabwehrsysteme der USA und eine mögliche Aufrüstung im Weltraum. Außerdem schlug Putin eine enge Zusammenarbeit gegen Terrorismus und Cyber-Bedrohungen vor.
Trump blieb auch hier eher oberflächlich: „90 Prozent des Atomwaffenarsenals entfallen auf unsere zwei Länder.“Umso lächerlicher sei die Debatte über angebliche Wahlkampf-Beeinflussungen durch Moskau, setzte der Präsident bei dem für ihn offensichtlich wichtigsten Thema noch einmal nach.
Ansonsten nahm er sich noch einmal Zeit, um seinen Wahlsieg vollmundig zu feiern. Mit Putin werde er sich in Zukunft öfter treffen. Für CNN-Starmoderator Anderson Cooper klang das eher wie eine Drohung. Schließlich habe er soeben die „beschämendste Vorstellung eines US-Präsidenten neben einem russischen Führer“gesehen.
„Ich habe selbst beim Geheimdienst gearbeitet und weiß, wie man solche Berichte umschreibt.“Kremlchef Wladimir Putin über US-Geheimdienst-Beschuldigungen