Festtagsstimmung und bange Fragen
Zagreb. 300.000 Kroaten feierten am Montag die Rückkehr von Modric und Co.
Noch einmal bebte es ordentlich. Kroatiens Fußballer, die sich am Montag auf der Plattform eines offenen Stockbusses vom Flughafen fünf Stunden lang in die Zagreber City kutschieren ließen, wurden gefeiert, als hätten sie das WM-Finale gegen die Franzosen gewonnen. Bis zum Hauptplatz öffnete sich für sie ein wogendes Menschenmeer mit Schachbrett-Muster. Viele Kroaten waren mit Fan-Shirts zur Arbeit erschienen. Andere bekamen frei.
16. Juli 2018, inoffizieller Feiertag: Aus mehreren Städten waren Sonderzüge in die Hauptstadt gekommen. Die Kroatischen Eisenbahnen boten erneut jede Fahrt zum halben Preis an. Großes Kino unter der Regie des Theaterregisseurs Kreso Dolencic, und noch einmal Spannung für die Seismologen in ihrer Station in der Zagreber Oberstadt: Schon beim HalbfinalTor von Mario Mandzukic gegen die Engländer konnten sie ihren Sensoren kaum trauen: Die Erde hatte gleich an mehreren Orten des Landes zart gebebt – unter allen großen Public-Viewing-Zonen.
Faire Verlierer
„Sie waren auch im Finale gut“, meint Davor, ein junger Angestellter aus der Mandzukic-Heimatstadt Slavonski Brod. „Dass das Spiel am Ende verloren ging, ist nicht schlimm. Sie haben uns in den vergangenen Tagen unglaublich viel Freude bereitet.“Soziologen mutmaßen bereits, dass sich Kroatiens Sommermärchen auf den World Happiness Report auswirken könnte. In dieser Weltrangliste liegt ihr Land aktuell nur auf Platz 82. Der blutige Jugoslawien-Krieg, die hohe Arbeitslosenrate in etlichen Landesteilen, Armut, Korruption, auch das Faktum, dass die Besten „in den Westen“auswandern, das alles trug im kleinen EU-Land nicht zur allgemeinen Heiterkeit bei. Der Finaleinzug der „Feurigen“(Vatreni) tat somit der Seele gut. Er hat auch das Image des Landes verbessert.
Die Stimmung auf dem bekanntesten Platz des Landes war auch am Tag nach der Niederlage ausgelassen, aber nicht aggressiv. Es wurde wie schon in den vergangenen Tagen stundenlang gesungen, getanzt und gelacht. Unter die Feierstimmung mischen sich aber auch erste bange Fragen: Die „Reise zum Finale“hat Geld gekostet. Wie werde ich den Kredit zurückzahlen? Behalte ich meinen Job nach dem Sommer? Fußball-Beobachter fragen indes: Wird Luka Modric, der zum Spieler des Turniers gewählt wurde, erneut vor Gericht aussagen müssen? Können seine Nachfolger aus einem inzwischen doch mächtigen Schatten treten? Auf dem Weg zum Hauptplatz bejubelt wurde unter anderem auch Ante Rebic, dem man im Finalspiel die Strapazen der letzten Turniertage deutlich anmerkte. Einige seiner Landsleute lachten. Sie haben den Post aus seinem Heimatort in der Nähe von Imotski gelesen: „Ante, bitte streng’ dich im Finale nicht zu sehr an. Wir brauchen dich, am kommenden Wochenende bei unserem Boccia-Turnier.“