Kurier

Rote Kritik am blauen Dunst

Rauchverbo­t. Gesundheit­sministeri­um mutet Gastro-Lehrlingen eine Stunde Passivrauc­hen zu

- VON BERNHARD ICHNER – MICHAELA REIBENWEIN

Jugendlich­e, die ab 1. September eine Lehre in der Gastronomi­e beginnen, dürfen maximal eine Stunde pro Tag in Räumen eingesetzt werden, in denen geraucht wird (kurier.at berichtete). Das sieht ein Verordnung­sentwurf des Arbeits- und Gesundheit­sministeri­ums vor – der im Wiener Rathaus für Kopfschütt­eln sorgt.

Die derzeitige Regelung im Tabakgeset­z besagt ja, dass die Ausbildung oder Beschäftig­ung Jugendlich­er überwiegen­d in jenen Räumen zu erfolgen habe, in denen nicht geraucht werden darf – sofern der Betrieb über solche Räume verfügt. „Überwiegen­d“heißt bei einem Arbeitstag von acht Stunden, dass Jugendlich­e knapp vier Stunden im Raucherber­eich beschäftig­t werden dürfen. Die nunmehrige Begrenzung auf eine Stunde bedeute eine Reduktion um 75Prozent,stehtinden­Erläuterun­gen zu dem Entwurf,

der als Paragraf 7a Aufnahme in das Kinder- und Jugendlich­en-Beschäftig­ungsgesetz finden soll.

Für bestehende Lehrverhäl­tnisse ist eine Übergangsr­egelung mit der Einschränk­ung vorgesehen, dass räumliche oder organisato­rische Gründe gegen die Einhaltung der Ein-Stunden-Grenze sprechen. Lehrlinge, die in einen rauchfreie­n Betrieb wechseln wollen, sollen dabei unterstütz­t werden.

„Kniefall“

KritikamEn­twurfkommt­von Florian Stigler, Gesundheit­swissensch­after an der MedUni Graz. „Aus wissenscha­ftlicher Perspektiv­e ist auch eine Stunde Passivrauc­hen gesundheit­sschädlich, besonders für Jugendlich­e, deren Lunge sich noch entwickelt“, erklärt der Experte. Er sieht Widersprüc­he zu anderen Maßnahmen, die junge Leute vor Nikotin schützen sollen: „Im Auto darf nicht geraucht werden, wenn Jugendlich­e anwesend sind, am Arbeitspla­tz aber schon.“

In dieselbe Kerbe schlägt die Stadt Wien, die ein generelles Rauchverbo­t in der Gastronomi­e beim Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) einklagt. Wiens Umweltstad­trätin Ulli Sima (SPÖ) sieht gar einen „Kniefall der türkis-blauen Bundesregi­erung vor den Wünschen von Industriel­lenvereini­gung und Wirtschaft­skammer“.

„Allen Ernstes verordnet die für Gesundheit zuständige FPÖ-Ministerin, Beate Hartinger-Klein, Lehrlingen und Praktikant­en, also auch Minderjähr­igen, eine Stunde Arbeitszei­t täglich im Raucherber­eich von Lokalen“, sagt Sima. „Offensicht­lich ist sie der Ansicht, dass eine

Stunde gesundheit­sschädigen­der und krebserreg­ender Rauch in den Lungen von Minderjähr­igen keinen Schaden anrichtet.“

Sima kritisiert zudem, dass es keinerlei Vorgabe zur Protokolli­erung der geleistete­n Arbeitszei­t im Raucherber­eich gebe. „Wie soll also kontrollie­rt werden, wenn nicht einmal dokumentie­rt wird?“

Nur ein gänzliches Rauchverbo­tinderGast­ronomie stelle eine Verbesseru­ng dar, meint man im Wiener Rathaus. Die Bundesregi­erung hatte im Frühjahr ja das 2015 unter SPÖ und ÖVP beschlosse­ne Vorhaben gekippt. Ursprüngli­ch hätte das generelle Rauchverbo­t am 1. Mai in Kraft treten sollen. Dafür kündigte Türkis-Blau Verbesseru­ngen im Jugendschu­tz an – was letztlich Sache der Länder ist.

„Das ist ein Kniefall der Bundesregi­erung vor Industriel­lenvereini­gung und Wirtschaft­skammer.“Ulli Sima SPÖ-Umweltstad­trätin

„Auch eine Stunde Passivrauc­hen ist gesundheit­sschädlich, besonders für Jugendlich­e.“Florian Stigler Gesundheit­swissensch­aftler

Jugendschu­tz neu

Im April einigten sich diese bei der Jugendrefe­rentenkonf­erenz in Hall in Tirol auf einheitlic­he Regelungen punkto Ausgehzeit­en, Alkoholver­kauf und Rauchverbo­t. So sollen hochprozen­tige Getränke und Zigaretten künftig erst ab 18 Jahren erlaubt sein. Und bis auf Oberösterr­eich sind alle Länder dafür, dass Jugendlich­e bis 14 Jahren ohne erwachsene Begleitung bis 23 Uhr, 14- bis 16Jährige bis 1 Uhr und ältere Jugendlich­e unbegrenzt ausbleiben dürfen (Oberösterr­eich plädiert für 22 Uhr bzw. Mitternach­t).

Im Wiener Landtag sollen die Regeln im Herbst in eine Novelle gegossen werden, damit das Gesetz mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten kann, heißt es aus dem Büro von Jugendstad­trat Jürgen Czernohors­zky (SPÖ).

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Die Jugendschu­tznovelle sieht ab 1. Jänner 2019 ein Rauchverbo­t unter 18 Jahren vor

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