Kurier

Syrer wollte nach Hause

Einsatz vor Parlament. 26-Jähriger wurde von Polizei zur Aufgabe überredet / Die Hintergrün­de

- VON DOMINIK SCHREIBER UND BIRGIT SEISER

Ein stundenlan­ger Großeinsat­z von Polizei, Rettung und Feuerwehr legte am Montagvorm­ittag den Ring in Wien teilweise lahm: Ein 26-jähriger Syrer war gegen 9.45 Uhr auf die Bau containerv­ordem Parlament gestiegen und hatte sich einen Strick um den Hals gelegt.

Ein Verhandlun­gsteam der Polizei versuchte herauszufi­nden, was der junge Mann bezwecken wolle. „Er sagt, er wolle nach Hause, nach Syrien. Der Mann ist ein anerkannte­r Asylwerber, möchte aber nicht in Österreich bleiben“, erklärte Polizeispr­echer Daniel Fürst – während Freunde des jungen Mannes und ein Dolmetsche­r weiter versuchten, den 26-Jährigen zum Aufgeben zu bringen.

An den Seiten des etwa fünf Meter hohen Baucontain­ers (Infopoint) hatten sich bereits Beamte der WEGA in Position gebracht, um jederzeit für einen Zugriff bereit zu sein. So weit sollte es aber nicht kommen: Die Polizei fragte in der syrischen Botschaft nach und erhielt (wie auch der KURIER) die Auskunft, dass der Mann angeblich nicht um ein Heimreise- zertifikat angesucht habe – und dies jederzeit erhalten würde, wenn er das möchte.

Während die Verhandler versuchten, den Mann zu beruhigen, dürfte dem 26-Jährigen nach mehr als dreieinhal­b Stunden versichert worden sein, dass er ausreisen kann. Er knüpfte schließlic­h gegen 13.20 Uhr das Seil auf und stieg freiwillig vom Dach des Containers.

„Gesetz Nummer zehn“

Ein guter Bekannter des 26Jährigen, der ebenfalls aus Syrien stammt und in Wien lebt, erklärte dem KURIER gegenüber, dass die Verwandten des Mannes gestorben seien und er deshalb dringend in die Heimat möchte. Vorerst war unklar, ob dies in Zusammenha­ng mit dem umstritten­en „Gesetz Nummer zehn“in Zusammenha­ng steht. Dieses hat der syrische Machthaber Bashar al-Assad im April unterzeich­net. Offiziell dient es dem Wiederaufb­au des Landes, allerdings wird befürchtet, dass damit nach Europa geflüchtet­e Syrer enteignet werden könnten. Laut dem Gesetz müssen Besitzer von Land oder Häusern ihre Eigentumsr­echte innerhalb von 30 Tage nachweisen. Falls die Eltern des 26-jährigen Syrers ums Leben gekommen sind, müsste dieser rasch nach Syrien reisen, um den Besitz behalten zu dürfen.

NGOs hatten zuletzt befürchtet, dass für viele Syrer deshalb keine Heimreise zertifikat­e von den Botschafte­n ausgestell­t werden könnten. Dem widerspric­ht allerdings der Verein Menschenre­chte Österreich, der die Rückkehrer berät. Bisher wurden stets Heimreise zertifikat­e ausgestell­t. Wer keine Papiere mehr hat, dem wurden Reisepässe ausgestell­t. Insider meinen aber, dass die Zahl der heim reisenden Syrer so gering sei, dass aktuell (noch) kein Trend dazu festzustel­len sei.

Der 26-jährige Syrer wurde der Rettung übergeben, ein Arzt entscheide­t nun über die weitere Vorgangswe­ise. Die Polizei wird Anzeige erstatten. In welcher Form ist vorerst unklar.

Hilfe bei Suizidgeda­nken finden Sie unter www.suizidprae­vention.gv.at

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Stundenlan­g waren Polizei, Feuerwehr und Rettung vor dem Parlament in Wien im Großeinsat­z

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