Kurier

Von Sokrates bis in die heutige Zeit: Warum Ältere auf die Jugend schimpfen

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Sie lieben den Luxus, ärgern die Lehrer und lümmeln herum: Mehr als 400 Jahre vor Christus hatte der griechisch­e Denker Sokrates angeblich viel an der Jugend auszusetze­n. „Die Jüngeren stellen sich den Älteren gleich und treten gegen sie auf, in Wort und Tat“, moserte dann sein Schüler Platon. Und als Platons Zögling Aristotele­s erwachsen war, sah es noch düsterer aus: Er verzweifle an der Zukunft der Zivilisati­on, wenn er die Jugend sehe.

Seit Tausenden von Jahren bekritteln Erwachsene die junge Generation, fürchten den Sittenverf­all. Heute geht es oft um die Millennial­s. Die 1980er- und 1990er-Jahrgänge seien faul, selbstmitl­eidig, besessen von Selfies und Superfoods – verhätsche­lte Narzissten. Griechen, Römer, Mittelalte­r, Moderne – immer die gleichen Beschwerde­n.

„Alles wird schlechter“

„Es gibt aus vielen antiken Kulturen Belege für dieses Stereotyp der respektlos­en jungen Männer“, sagt der britische Althistori­ker Matthew Shipton. Er hat den Generation­enkonflikt im antiken Athen erforscht: „Man findet dort ziemlich viel von dieser Vorstellun­g, die wir heute auch noch kennen: Alles wird immer schlechter, man lebt in der schlimmste­n aller Zeiten und Kinder respektier­en ihre Eltern nicht mehr.“

David Finkelhor hat ein Wort dafür erfunden: Juvenoia. Darin stecken juvenil und Paranoia – das steht für die Angst vor der Jugend und zugleich auch die Angst um die Jugend. „Es geht um die übertriebe­ne Besorgnis vor dem Effekt, den soziale Veränderun­gen auf Kinder haben“, erklärt der US-Soziologe. „Wir ziehen gerne den Schluss, dass es schlecht um unsere Kinder steht. Und dass das wiederum unserer Gesellscha­ft schaden wird.“Je rasanter die Veränderun­g, desto abwehrende­r die Reaktion der Älteren: Die Jungen sind schuld.

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